Medienerziehung

  • Interview

Big Data is watching you: Umgang mit großen Datenmengen im Netz

Eine Person, die im Licht einer Zahlenfolge steht.

Beim Surfen, Chatten und Einkaufen im Internet hinterlassen wir Spuren im Netz - ohne, dass wir es direkt mitbekommen. Suchen wir zum Beispiel in einem Onlineshop nach einem bestimmten Produkt, welches wir aber letztlich nicht kaufen, kann es passieren, dass uns dieses oder ähnliche Produkte in Werbeanzeigen auf anderen von uns angeklickten Webseiten angezeigt und empfohlen werden. Dies ist mithilfe von sogenannten Cookies möglich, kleinen Datensätzen, die auf dem Gerät gespeichert werden. Sie speichern personenbezogene Daten, Metadaten, wie beispielsweise die Häufigkeit und Dauer von Besuchen auf einer Webseite und Produkte, die sich Internetnutzer:innen kürzlich angeschaut haben. Da viele Menschen täglich im Netz aktiv sind, werden so große Mengen an Daten im Netz hinterlassen, die gespeichert und verarbeitet werden.

Big Data - Was ist das überhaupt?

Sprechen wir über große, fließende Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen, die zusammengeführt, gespeichert, verarbeitet und analysiert werden, lässt sich von Big Data (Englisch= große Datenmengen) sprechen. „So können Profile und Prognosen erstellt werden, die zu verschiedenen Zwecken in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen verwendet werden: Zum Beispiel, um Produkte und Dienstleistungen zielgerecht und personalisiert auf Verbraucher:innen zuzuschneiden, präzise Wettervorhersagen und Staumeldungen vorherzusagen und Erkenntnisgewinne in der medizinischen Forschung zu schaffen“, erklärt Esther Lordieck, die als Fachbereichsleiterin für Digitale Tools und Technologien/FabLab im jfc Medienzentrum e. V. tätig ist. Mit ihr sprachen wir über das Thema Big Data und das Projekt „BIG DATA“,  welches sich an Jugendliche und an pädagogische Fachkräfte richtet.

Chancen von Big Data

Big Data bietet eine Vielzahl an gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und medizinischen Chancen. So gibt es diverse Open-Data-Projekte und Initiativen, die sich in unterschiedlichen Bereichen, wie zum Beispiel Umweltschutz, engagieren. Grundvoraussetzung bei Open-Data-Projekten ist es, dass die Daten von jeder Person genutzt und weiterverwendet werden dürfen. So kann ein Raum für Partizipation entstehen, in dem innovative Ideen entwickelt und Projekte weitergedacht werden.

Ein weiterer Bereich, in dem die Analyse von großen Datenmengen helfen kann, Rückschlüsse zu ziehen und Erkenntnisse zu erzielen, ist die medizinische Forschung. Mittels Gesundheits-Apps, die Herzfrequenz, Schlafrhythmus und Essverhalten messen, lassen sich zum Beispiel mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit feststellen.

Im Alltag vorteilhaft sind die oft präzisen Staumeldungen, bei denen große Mengen an Daten gesammelt und ausgewertet werden und die es ermöglichen einen Stau zu umfahren.

Herausforderungen von Big Data

Eine große Herausforderung sieht Esther Lordieck vor allem im Hinblick auf den gesellschaftlichen Umgang mit Datenmengen und dem Wissen, welches aus dem Sammeln und der Analyse von Daten entsteht. Im Fokus steht hier insbesondere der Umgang mit großen Tech-Unternehmen wie beispielsweise Facebook, Google und Microsoft, die große Datenmengen vor allem für kommerzielle Zwecke sammeln. „Hier sollten wir uns als Gesellschaft fragen, wie wir damit umgehen wollen, dass ein paar große Unternehmen über ein enormes Wissen über Einzelne und gesellschaftliche Zusammenhänge verfügen.“

Wichtig ist es zudem, sich selbst darüber bewusst zu sein, dass Informationen, die einmal ihren Weg ins Internet gefunden haben, auch dort bleiben. Auf Daten aufbauend, die Personen im Internet hinterlassen, können Profile erstellt werden, aus denen Wahrscheinlichkeiten abgeleitet und Verhaltensweisen mittels statistischer Berechnungen vorhergesagt werden können. So soll vorhergesagt werden, ob eine Person etwas tut - zum Beispiel etwas im Netz kauft - oder nicht. „Hier gilt es zu bedenken, dass sich die Vorhersagen eines bestimmten Verhaltens vor allem an bereits gesammelten Daten orientieren, also solchen, die bereits im Netz - auch von anderen Personen - hinterlassen wurden. Indem das Surfverhalten einer Person verglichen wird, wird versucht zu antizipieren, wie weitere Verhaltensweisen aussehen können“, sagt Esther Lordieck.

Eine ganz andere Herausforderung, die durch die Verwendung von Algorithmen besteht, ist das Risiko von Diskriminierungen. „Nehmen wir an, ein Mensch möchte ein selbstlernendes System entwickeln, das Gesichter auf Fotos erkennt. Damit das System lernt, wie Gesichter aussehen, muss es mit Fotos von menschlichen Gesichtern 'gefüttert' werden. Wird das System nun nur mit Fotos von Gesichtern mit heller Hautfarbe trainiert, so kann es sein, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe vom System nicht erkannt werden. Hier werden also Diskriminierungen, die bereits in Gesellschaften bestehen, durch den Algorithmus also noch verstärkt“, schildert Esther Lordieck.

Wie können wir auf solche Herausforderungen reagieren? Esther Lordieck betont, dass vor allem der gesellschaftliche Diskurs wichtig ist. Eine grundlegende Voraussetzung für eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit möglichen Risiken von Big Data ist zunächst aber, dass jedem Menschen bewusst sein sollte, dass persönliche Daten erhoben und weiterverarbeitet werden, sobald sie im Netz aktiv sind.

Das Projekt „BIG DATA“ - der Lernparcours

Das Projekt BIG DATA, welches das jfc Medienzentrum in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung entwickelt hat, besteht aus einem Lernparcours und aus einem Angebot an Workshops für Jugendliche sowie Weiterbildungen für pädagogische Fachkräfte.

Der Lernparcours, der sich primär an Fachkräfte aus der Kinder- und Jugendarbeit im außerschulischen Bereich richtet, besteht aus einer Einführung in das Thema und fünf weiteren Bereichen, die verschiedene Aspekte rund um Big Data aufgreifen. „Ziel ist es, sich dem komplexen Thema anzunähern und einen Einstieg in die Auseinandersetzung mit Big Data zu ermöglichen“, betont Esther Lordieck. In einem einführenden Teil geht es darum, sich mit dem Thema vertraut zu machen und zu erfahren, was Big Data ist, woher Daten kommen, wie sie entstehen und wer diese sammelt. Im nächsten Schritt geht es dann um die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung und darauf aufbauend darum, eine Haltung zum Thema zu entwickeln. Im letzten Abschnitt geht es darum, welche Gestaltungsmöglichkeiten jede:r Einzelne:r und die Gesellschaft als Ganzes im Umgang mit Big Data haben. Passend zu jedem Abschnitt gibt es Informationsmaterialien wie Hintergrundinformationen, Videoclips und eine Linksammlung, um sich intensiv und reflektiert mit dem Thema auseinandersetzen zu können.

Das Projekt „BIG DATA“ - Workshops für Jugendliche

„Die Workshops, die wir für Jugendliche - ab ca. 14 Jahren - anbieten, werden immer individuell an die Zielgruppe angepasst. Je nach Bedürfnis und Zeitbudget, richten wir Workshops aus, die einen Tag, aber auch mehrere Tage dauern können. Beispielsweise kann auch eine ganze Projektwoche zum Thema Big Data durchgeführt werden“, schildert Esther Lordieck. Wichtig zu wissen ist, dass sich das Thema Big Data aufgrund seiner Komplexität nicht dafür eignet, mal nebenher an einem Nachmittag zu besprechen. Hier braucht es vielmehr Raum, damit junge Menschen an das Thema herangeführt werden und sich mit diesem reflektiert auseinandersetzen können. Zentraler Aspekt in den Workshops ist die gesellschaftlich-politische Perspektive auf Big Data. „Wie stehe ich zu Big Data? Wie gehe ich damit um? Wie entwickle ich eine eigene Haltung zum Thema? Diese zentralen Fragen möchten wir in unseren Workshops aufgreifen und mit jungen Menschen dazu ins Gespräch kommen“, sagt Esther Lordieck.

Das Projekt „BIG DATA“ - Weiterbildungen für pädagogische Fachkräfte

Auch die Weiterbildungen, die das jfc durchführt, sind an die individuellen Bedarfe der Teilnehmenden angepasst. „Gute Erfahrungen haben wir mit in der Regel drei- bis vierstündigen Weiterbildungen, in denen es darum geht, eine Einführung in das Thema Big Data zu geben. Wir stellen meistens zwei bis drei Methoden vor, die pädagogische Fachkräfte in der eigenen Arbeit nutzen können.“ So soll ein erster Impuls gegeben werden, sich mit Big Data zu beschäftigen.

Tipps für den medienpädagogischen Einstieg

Grundsätzlich wichtig für die medienpädagogische Arbeit ist, jungen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. „Möchte ich als pädagogische Fachkraft oder Erziehende:r das Thema Big Data im Kontext von Kinder- und Jugendarbeit aufgreifen, ist es also ratsam, einen Raum zu schaffen, in dem ein offener, vorurteilsfreier Austausch möglich ist und in dem Jugendliche eine eigene Haltung zum Thema entwickeln können. Das meint auch, andere, von der eigenen Meinung abweichende Positionen - wie zum Beispiel zur Privatsphäre - auszuhalten“, sagt Esther Lordieck. Wichtig für einen offenen Austausch ist es zudem auch, sich als Eltern und pädagogische Fachkraft selbst über die eigene Haltung zum Thema bewusst zu sein und diese zu reflektieren.

Über einen Bezug zum Alltag junger Menschen lässt sich das Thema Big Data gut aufgreifen, um in die Thematik einzusteigen. Ein Gesprächsanlass kann zum Beispiel die Frage nach dem genutzten Messenger-Dienst sein. Hier zeigt sich, dass viele Jugendliche WhatsApp nutzen. Dieser Messenger-Dienst, der zu Facebook gehört, ist zwar Ende-zu-Ende verschlüsselt, sodass das Unternehmen zwar keine Inhalte von Chats lesen kann, erhebt aber Metadaten wie zum Beispiel Geräte- und Verbindungsdaten sowie Informationen zum Standort. „Der kostenlose, werbefreie Messengerdienst wurde 2014 für 19 Milliarden Dollar an Facebook verkauft. Daran lässt sich wunderbar verdeutlichen, dass die Nutzung von WhatsApp nicht kostenlos ist, weil es zu einem gemeinnützigen Verein gehört, sondern vielmehr ein wirtschaftliches Unternehmen ist, das mit diesen Daten entsprechend aus ökonomischen Motiven erhebt und verarbeitet“, betont Esther Lordieck.

Zudem gibt es viele Filme, die das Thema Big Data aufgreifen und die sich für die medienpädagogische Arbeit nutzen lassen. Zum Beispiel kann man auch mit einem Filminput in das Thema starten und so einen Gesprächsanlass schaffen. Filmempfehlungen gibt es auf der Filmtippliste des Projektes BIG DATA.

 

Mehr Informationen

 

 

 

 


Bettina Goerdeler, Initiativbüro "Gutes Aufwachsen mit Medien"

Quelle: Esther Lordieck, Fachbereichsleiterin Digitale Tools und Technologien, FabLab, jfc Medienzentrum