Medienerziehung

  • Interview

Kreativ in den kulturellen Austausch: Das Projekt „My home – my way – my future“

Zwei Menschen, die vor einem Laptop und einer Musikanlage sitzen.

Was macht mich aus? Wie möchte ich mein Leben gestalten? Was wünsche ich mir für die Zukunft? Auf der Suche nach der eigenen Identität und auf dem Weg mit der Auseinandersetzung mit uns selbst, stellen wir uns diese Fragen. Insbesondere in der Phase der Entwicklung des eigenen Ichs sind diese Fragen von zentraler Bedeutung. Wie Medienarbeit im ländlichen Raum dazu beitragen kann, dass sich junge bildungsbenachteiligte Menschen mit sich selbst, ihrer Lebenswelt und ihren Zukunftsperspektiven an ihrem Wohnort beschäftigen, zeigt das Projekt „My home – my way – my future“, welches im Rahmen des Bundesprogramms „Kultur macht stark“ von der Türkischen Gemeinde in Deutschland e. V. gefördert wird. Wir sprachen mit Martin Kahles, studierter Medienpädagoge, der im Jugend- und Medienzentrum „Das Nest e. V.“ in Wettin (Sachsen-Anhalt) arbeitet, welches das Projekt „My home – my way – my future“ koordiniert. Bündnispartner des Projektes sind zudem das Kinder- und Jugendcamp Zappendorf, die Natur schafft Wissen gGmbH Schochwitz und der Kulturverein Mücheln e.V.

kulturelle Teilhabe durch aktive Medienarbeit ermöglichen

Das Projekt „My home – my way – my future“, welches von 2018 bis 2022 durchgeführt wurde, richtet sich an bildungsbenachteiligte junge Menschen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren. In insgesamt fünf Medienworkshops zu den Themenbereichen Film, Fotografie und elektronische Musik pro Jahr und einem Präsentationsworkshop, in dem die Produkte und Ergebnisse aus den jährlichen Medienworkshops präsentiert werden, setzen sich die jungen Teilnehmenden in insgesamt 32 Stunden mit sich selbst, ihrer Lebenswelt und ihrem eigenen Umfeld auseinander. „Ziel ist es, durch einen kreativen-gestalterischen Ansatz in unserer Medienarbeit junge Menschen zu einer aktiven und bewussten Teilhabe in der Gesellschaft zu motivieren und sie darin zu unterstützen, selbstwirksam zu handeln, sich selbst einzubringen und ihre Bedürfnisse sowie Ideen nach außen zu kommunizieren“, schildert Martin Kahles.

Formate und Inhalte sind in den Workshops bewusst nicht vorgegeben, die Teilnehmenden entscheiden selbst, wie und worüber sie berichten wollen. „Uns ist es sehr wichtig, dass die Jugendlichen sich mit einem Thema auseinandersetzen können, welches sie auch tatsächlich beschäftigt, daher haben wir uns für einen offenen Rahmen entschieden, der es ermöglicht zu fragen, warum sich eine Person besonders für ein Thema interessiert und warum sie dazu mediengestalterisch tätig werden möchte“, betont Martin Kahles.

In den Workshops zum Thema Film entstehen unter anderem Portraitfilme, in denen sich Jugendliche selbst vorstellen. Oder die Teilnehmenden produzieren Spielfilme, in denen sie Geschichten mit Bezug zu ihrer Lebenswelt darstellen. Oder sie führen Interviews mit Personen, deren Leben bzw. deren Tätigkeit sie spannend finden. „Zum Beispiel gab es Teilnehmende, die sich für das Thema Auto-Tuning – also die optische und technische Anpassung von Autos im Hinblick auf persönliche Präferenzen – interessiert haben und die dann die Inhaber:innen einer kleinen Werkstatt für amerikanische Oldtimer besucht und interviewt haben“, sagt Martin Kahles.

Sich selbst ausdrücken können sich die teilnehmenden Jugendlichen auch durch eigene musikalische Kompositionen, die sie mithilfe verschiedener Apps und digitalen Instrumenten wie Softwaresynthesizer oder Drum-Computer in den Workshops zum Thema elektronische Musik entwickeln. Die eigenen Wünsche, beispielsweise zur Gestaltung der Zukunft, darstellen und gleichzeitig die technischen und gestalterischen Grundlagen zur Fotografie kennenlernen, können die Jugendlichen zudem in den Fotografie-Workshops. So entstehen unter anderem digitale Fotografien in unterschiedlichen Genres wie Portrait-, Street- oder dokumentarische Fotografie.

Neben der Reflexion mit sich selbst und der Erkundung des eigenen Lebensumfeldes, geht es in den Workshops zudem darum, soziale Kompetenzen und Kommunikationskompetenzen durch den Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen Teilnehmenden zu erwerben. Gleichzeitig wird durch den kreativ-gestalterischen Prozess spielerisch Medienkompetenz vermittelt. Zum Beispiel lernen die Jugendlichen, was es in puncto Datenschutz und Persönlichkeitsrechte zu beachten gibt, wenn Fotos und Videos entstehen und im Netz veröffentlicht werden.

Wie kulturelle Medienarbeit gelingen kann

Martin Kahles sieht eine offene Haltung und Einstellung pädagogischer Fachkräfte und Einrichtungen, die medienpädagogische Projekte durchführen, als wichtige Voraussetzung für das Gelingen kultureller Medienarbeit mit jungen bildungsbenachteiligten Menschen: „Das bedeutet zugewandt und neugierig für die Lebenswelt junger Menschen zu sein und ernsthaftes Interesse für das zu zeigen, was sie interessiert und was sie beschäftigt. Zugleich ist es wichtig, sich über die eigene Haltung bewusst zu sein und diese stets zu reflektieren. Das heißt auch, nicht in Schubladen zu denken, sich vorurteilsfrei zu begegnen sowie aufgeschlossen gegenüber Neuem zu sein.“

Ideen für kreative Medienarbeit

Wie gut sich Medienarbeit auch mit handwerklicher Gestaltung kombinieren lässt, wird ebenfalls im Projekt „My home – my way – my future“ deutlich: „Das zeigt sich zum Beispiel beim Lightpainting (Malen mit Licht). Hier konnten die Teilnehmenden unter anderem sogenannte blades aus Plexiglas selbst basteln. Das sind Aufsätze für die Taschenlampe, mit denen sich tolle Formen und Lichtspuren in ein Foto einfügen lassen“, schildert Martin Kahles. Ein anderes Produkt, welches in Anknüpfung an einen Workshop zum Thema elektronische Musik entstanden ist, sind Holzhocker, in die Bluetooth-Boxen integriert werden können, die dann die musikalischen Kreationen der Teilnehmenden abspielen.

„Durch unsere positiven Erfahrungen aus „My home – my way – my future“ haben wir uns schließlich verstärkt auf den Bereich Making (Englisch „make“ = etwas selbst machen) konzentriert, weil wir merken, dass sich dadurch eine große Bandbreite an digitalen Werkzeugen wie 3D-Drucker, Lasergravur-Maschine, CAD-Software, Smartphone, programmierbare Roboter (Ozobots) und handwerkliche Werkzeugen wie Bohrmaschine, Säge, Hammer, Schere, Klebstoff, Pinsel gut miteinander kombinieren lassen. Im Zentrum steht dabei das aktive, kreative Gestalten, worauf wir auch unseren Fokus im Folgeprojekt „Make – Code – Create“ legen“, erläutert Martin Kahles.

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