• Interview

Divers und vielfältig: gesellschaftliche Teilhabe durch transkulturelle Medienarbeit ermöglichen

mehrsprachiger Text, der Tipps für den Umgang mit Computern erläutert.

Ob Essen, Sprachen oder Filme und Bücher: In einer globalisierten Welt zeigt sich die kulturelle Vielfalt in diversen Bereichen in unserer Gesellschaft. Durch den Austausch von Wissen und Erfahrungen können neue Ideen und Innovationen entstehen und zur Weiterentwicklung der Gesellschaft als Ganzes beitragen. Doch wie kann Bildung auf die Vielfalt der Kulturen und Perspektiven reagieren? Wie lässt sich kultursensible und transkulturelle Medienarbeit gestalten? Welche Chancen und Herausforderungen gibt es dabei? Darüber sprachen wir mit der Informatikerin, Kindheits- und Sozialwissenschaftlerin sowie freiberuflichen Medienpädagogin Mona Kheir El Din. Sie ist in einer binationalen Familie in Deutschland und Ägypten aufgewachsen und leitet das interkulturelle Familienzentrum „Vielinbusch“ in Bonn.

Kultursensible und transkulturelle Bildung – was heißt das?

Transkulturelle Bildung berücksichtigt, dass Kulturen dynamisch sind und aus verschiedenen Einflüssen, Prägungen und Perspektiven bestehen, die sich gegenseitig beeinflussen und im Austausch zueinanderstehen. Mona Kheir El Din sieht es als wesentlich an, dass Bildung nicht nur für die Mehrheitsgesellschaft, sondern inklusiv und vorurteilsbewusst gestaltet wird. „Das bedeutet, sich bewusst mit gesellschaftlichen und persönlichen Vorurteilen auseinanderzusetzen und diese stetig zu reflektieren und gleichzeitig gleiche Teilhabe- und Entwicklungsmöglichkeiten für alle Menschen zu schaffen. Die kultursensible und transkulturelle Bildung nimmt die Vielfalt in der Gesellschaft, also zum Beispiel auch Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, in den Blick. Mir ist es ein Anliegen, dass wir hier inklusiv denken und bestimmte Gruppen nicht vergessen, sondern in der Entwicklung von Bildungskonzepten miteinbeziehen.“

Es kommt auf die eigene Haltung an: (Medien-)pädagogische Arbeit kultursensibel gestalten

Das Recht auf Bildung, welches allen Menschen in Artikel 26 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zugesichert wird, ist als Grundvoraussetzung für (medien-)pädagogische Arbeit anzusehen. „Es ist wichtig, dass wir uns diesen Anspruch, dass wir Teilhabe – also auch Teilhabe an Bildung – für alle in der Gesellschaft ermöglichen wollen, kontinuierlich in unserer täglichen Arbeit vor Augen führen. Das kann im Arbeitsalltag manchmal etwas verloren gehen, doch hat es einen positiven Einfluss auf unsere Arbeit, wenn wir uns daran erinnern und uns unseren Anspruch, offen und diversitätsbewusst zu handeln, regelmäßig vergegenwärtigen“, schildert Mona Kheir El Din. Die mitunter negativ behaftete Annahme, dass manche Gruppen schwer erreichbar seien, stellt eine Hürde in der Durchführung medienpädagogischer Projekte dar: „Ich kann pädagogische Fachkräfte hier nur ermutigen, sich auf Neues einzulassen, etwas auch mal zu verändern, neugierig zu sein und diesen Prozess als persönliche Bereicherung anzusehen. Der Prozess kann herausfordernd sein, weil es mitunter bedeutet, auch wieder etwas zu verlernen, aber dafür werden neues Wissen, neue Fähigkeiten und an persönlicher Erfahrung dazugewonnen.“

Eine zugewandte und wertschätzende Haltung ist auch für einen gelingenden Dialog mit Eltern und Familien mit Zuwanderungsgeschichte entscheidend. Zunächst geht es darum, anzuerkennen, dass es unterschiedliche Lebensentwürfe gibt und das eigene Lebensmodell nicht automatisch dem von anderen entspricht. Darüber hinaus ist es wichtig, offen, unvoreingenommen und interessiert aufeinander zuzugehen, ohne gleich zu bewerten, obwohl möglicherweise bestimmte Bilder oder Vorurteile in den Köpfen existieren. Mona Kheir El Din rät zum dialogischen Prinzip des „radikalen Respekts“ nach Marek und Schopp: „Der Begriff sagt im Grunde schon alles aus, wie ein guter Dialog gelingen kann: Ganz gleich, wie ein Mensch aussieht, was er anzieht oder welche Sprache er spricht, etc., ihm gebührt ein respektvoller Umgang. Das ist die Basis für eine gute Kommunikation.“

Um sich über die eigenen Vorurteile bewusst zu werden und einseitige Bevorteilungen zu vermeiden, helfen zudem regelmäßig stattfindende Austausch- und Teamrunden der Mitarbeitenden einer Einrichtung. „Wir arbeiten vor allem mit dem „Anti-Bias-Ansatz“, der darauf abzielt, Diskriminierungen in der Gesellschaft aufzuzeigen und Vorurteile auf zwischenmenschlicher, gesellschaftlich-kultureller und institutioneller Ebene abzubauen. Jeder Mensch soll in seiner Individualität wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Zentral sind daher die Reflexion eigener Positionen und Vorstellungen von Normalität sowie die Auseinandersetzung mit vorurteilsbewusstem Denken.“

Chancen kultursensibler Bildung in der Medienarbeit

Durch medienpädagogische Projekte, die inklusiv gestaltet sind, können Hürden abgebaut werden und so mehr Menschen gesellschaftlich teilhaben. Medien als solches können als Werkzeug fungieren, um sich auszudrücken. „Als 2015 viele Geflüchtete aus Syrien nach Europa gekommen sind, sind zum Beispiel medienpädagogische Projekte entstanden, die den Menschen die Möglichkeit gaben, ihre Geschichte zu erzählen und ihre Perspektiven einzubringen“, erläutert Mona Kheir El Din.

Zudem kann der eigene Horizont durch transkulturelle Projekte erweitert werden, weil ein Austausch untereinander entsteht. Als Regionalbeauftragte für das Format „Elterntalk“ der AJS NRW e. V. für die Region Bonn/Rhein-Sieg begleitet Mona Kheir El Din die Gesprächsrunden zwischen Müttern und Vätern zu Fragen rund um Medienerziehung. Ziel des Angebots ist es, Eltern in ihrem Erziehungsalltag zu unterstützen. „Im Mittelpunkt des Elterntalks, der auch mehrsprachig stattfindet, steht dabei der Erfahrungsaustausch. So können Eltern gegenseitig voneinander lernen, unterschiedliche Einstellungen und Ansätze kennenlernen und eigene Haltungen und Handlungsmöglichkeiten entwickeln.“

Auch das mehrsprachige Programm „MedienFit – SprachFit“, welches Mona Kheir El Din entwickelt hat und mit dem Dieter-Baacke-Preis ausgezeichnet wurde, unterstützt Eltern und Erziehende von Kindern im Alter zwischen fünf bis sieben Jahren in ihrer Medienerziehung, indem es den mehrsprachigen Alltag von Familien aufgreift. In moderierten Elterngesprächskreisen, die in Kitas und Grundschulen stattfinden, erwerben Eltern Wissen und Kompetenzen zu verschiedenen Themen, unter anderem zu Lesen, Hörmedien, Fernsehen, digitale Spiele und Internetnutzung. In dazu anknüpfenden Materialien mit mehrsprachigen Eltern-Kind-Übungen für zu Hause können Kinder über ihre Medienerfahrungen sprechen und gemeinsam mit den Eltern reflektieren. „MedienFit – SprachFit beruht auf einem ganzheitlichen medienpädagogischen Ansatz, der Eltern und Kinder einbezieht und die Herkunftssprachen der Familien berücksichtigt. So können Eltern ihre Kinder bei einer kompetenten und selbstbestimmten Mediennutzung unterstützen.“

Neben mehrsprachiger Medienarbeit können Einrichtungen und Pädagog:innen auch leichte Sprache nutzen, um Teilhabe zu ermöglichen. Im Projekt „BuBiTo – Buchstabe, Bild und Ton“ der FiBB e.V., welches aus mehrsprachigen Vorleseaktionen und Medienworkshops besteht, ist ein Handbuch mit Praxisempfehlungen für Eltern und pädagogische Fachkräfte in leichter Sprache und Arabisch entstanden. Das Handbuch enthält Tipps und Anregungen für medienpädagogische Arbeit und zeigt, wie Kinder Medien kreativ nutzen können.

Herausforderungen in der kultursensiblen Medienarbeit

Neben möglichen Vorurteilen beziehungsweise voreingenommenen Einstellungen sieht Mona Kheir El Din insbesondere auch in fehlenden sprachlichen Ressourcen des pädagogischen Personals eine Herausforderung bei der Durchführung transkultureller Medienarbeit. „Das fängt schon bei Stellenausschreibungen an. Neben fachlichen Kompetenzen sollte hier mehr darauf geachtet werden, welche transkulturellen Kompetenzen eine Person mitbringt. Zudem beobachte ich in Einrichtungen auch, dass Mehrsprachigkeit noch zu wenig berücksichtigt wird, obwohl wir in einer diversen Gesellschaft leben. Insofern wäre es hier wichtig, die Vielfalt auch auf personeller Ebene in Einrichtungen abzubilden.“

Mehr Informationen:

  • Weitere Informationen zur transkulturellen Medienarbeit von Mona Kheir El Din finden Sie auf der Webseite der Medienpädagogin, auf Elterntalk NRW und auf Medienkompetenz – FiBB e.V.
  • Inspiration und Anregungen für die Praxis gesucht? Der Dieter Baacke Preis der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur(GMK) zeichnet unter anderem auch transkulturelle bzw. integrative medienpädagogische Projekte aus.
  • Rund um das Thema Mehrsprachigkeit und Vorlesen in der Kita geht es im Online-Seminar des Projektes #medienvielfalt der Stiftung Lesen.