• Interview

Wer bin ich? – Kreative und spielerische Auseinandersetzung mit Online-Herausforderungen in Sozialen Medien

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Auf der Suche nach dem eigenen Ich probieren sich junge Menschen aus, testen ihre Grenzen und schauen, wie sie bei anderen ankommen. Gerade Soziale Medien nutzen viele Heranwachsende als Raum des Ausprobierens im eigenen Entwicklungsprozess. Besonders wichtig sind dabei Anerkennung und Bestätigung, insbesondere in der eigenen Peer-Group (Englisch „Peer“ = Gleichaltirge:r). Doch können Kinder und Jugendliche in Sozialen Medien auch mit Herausforderungen wie zum Beispiel Hassrede und Cybermobbing konfrontiert werden. Hier setzt das Projekt „Who am I“ vom Kinder- und Jugendtreff Ostercappeln und der LAG Jugend und Film Niedersachsen e.V. an: Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zehn und 16 Jahren setzten sich an drei Projekttagen kreativ und spielerisch mit Online-Herausforderungen auseinander, indem sie ein digitales Krimispiel entwickelten und selbst gestalteten. Über das Projekt, welches mit dem Dieter Baacke Sonderpreis 2021 ausgezeichnet wurde, sprachen wir mit Sarah Weber, die als medienpädagogische Referentin beim niedersächsischen Verein LAG Jugend und Film tätig ist.

Worum es im Projekt geht

Im Projekt entstanden ist ein digitales Krimispiel, in dem es darum geht herauszufinden, wer die Hauptperson Alex ist, die mit Erinnerungslücken in einem Krankenhaus aufwacht und nicht mehr weiß, was mit ihr passiert ist. Die Spieler:innen durchlaufen unterschiedliche Soziale Plattformen, müssen Rätsel und Aufgaben lösen, digitale Passwörter knacken und erfahren so, wer die Person Alex ist. „Die Hauptperson 'Alex' zu nennen war die Idee der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen, weil sie die Geschlechtsidentität bewusst offenlassen wollten. Es geht – wie der Titel des Spiels schon sagt – schließlich um die zentrale Frage der eigenen Identität, die über allem steht“, erläutert Sarah Weber.

Wie das Projekt gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen stärkt

„Uns war es sehr wichtig, ein Projekt anzubieten, welches sich an der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen orientiert und in dem sich junge Menschen kreativ mit digitalen Medien auseinandersetzen können. Soziale Medien sind Teil der digitalen Jugendwelt, insofern wollten wir genau hier ansetzen. Gleichzeitig wollten wir die Teilnehmenden stärken, ihre eigenen Ideen einzubringen und umzusetzen. Unsere pädagogische Begleitung bestand demnach darin, als Ansprechpartner:innen bei Fragen und technischen sowie inhaltlichen Herausforderungen da zu sein, Impulse zu geben und auch fachlich zu unterstützen."

Wie lässt sich eigentlich ein Foto bearbeiten? Wie entsteht ein Film mit der Methode des Green Screens? Im Projekt lernten Kinder und Jugendliche unterschiedliche Tools (Englisch = Werkzeuge) und Anwendungen kennen, mit denen sie die von ihnen erarbeiteten Inhalte digital umsetzen konnten. „Wir haben hier darauf geachtet, möglichst niedrigschwellige Programme zu verwenden, sodass die Teilnehmenden – wenn sie wollten – diese auch außerhalb des Projektes, z. B. in ihrer Freizeit nutzen können“, schildert Sarah Weber. Ein Teil der genutzten Apps bzw. Anwendungen wurden sogar von Seiten der Teilnehmenden vorgeschlagen und die Funktionsweise erläutert.

Neben der kreativen Auseinandersetzung mit digitalen Medien, dem eigenen Nutzungsverhalten und dem Kennlernen digitaler Tools stand vor allem auch der soziale Austausch und das gemeinsame Miteinander im Vordergrund des Projektes. „Hier war uns sehr wichtig, gemeinsam an etwas zu arbeiten und Kinder und Jugendliche darin zu stärken, ihre Ideen einzubringen. Wir haben gemerkt, dass es von der Entwicklung der Idee des Spieles hin zu einem interaktiven Produkt ein toller Lernprozess für die Teilnehmenden war. Auch für uns erwachsene Begleitpersonen.“

Kreativ und reflektiert mit Online-Herausforderungen auseinandersetzen

Im Erarbeitungsprozess des digitalen Spieles stand eine kreative, reflektierte Auseinandersetzung mit Online-Herausforderungen wie Cybermobbing, Hassrede und Fake News in Sozialen Medien im Vordergrund. Zu Beginn des Projektes gab es eine grobe Rahmenstory, welche die Kinder und Jugendlichen im Projekt dann mit Inhalten befüllt haben. „Ich fand es bemerkenswert, wie viele Ideen die Teilnehmenden eingebracht haben. Neben inhaltlichen Ideen gab es auch viele Vorschläge für Tools (Englisch = Werkzeuge) und Methoden, um die Geschichte von Alex technisch und szenisch umzusetzen“, sagt Sarah Weber.

Die Reflektion und kritische Auseinandersetzung mit Online-Herausforderungen fand vor allem dadurch statt, dass die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen Inhalte des Spiels selbst erstellten. So gab es zum Beispiel einige Teilnehmende, die einen fiktiven Chatverlauf erstellten, in dem Alex gemobbt wird. „Hier haben wir alle gemerkt, dass das nicht leicht ist, weil natürlich keine:r in die Situation kommen möchte, gemobbt zu werden. Wichtig war uns als Begleitpersonen – neben mir waren das Daniela Laig von der Offenen Kinder- und Jugendarbeit Ostercappeln und Sebastian Baller von der LAG Jugend und Film Niedersachsen e.V.– dass Kinder und Jugendliche merken, wie wichtig ein verantwortungsvolles und faires Miteinander auch im Netz ist. Auch der Umgang mit den eigenen Daten im Netz war Bestandteil der Reflektion. Was kann passieren, wenn sorglos persönliche Daten im Netz preisgegeben werden? Hier haben die Teilnehmenden sehr gut reflektiert und am Beispiel von Alex gemerkt, wie einfach sich Dritte aus vielen scheinbar unbedeutenden Posts mit Kommentaren einen Teil der Lebensgeschichte und auch sehr persönliche Daten erschließen können.

Was Kindern und Jugendlichen im Projekt Spaß gemacht hat

Sarah Weber erzählt, dass den Teilnehmenden des Projektes vor allem die Dreharbeiten und die Arbeit mit dem Green Screen zum digitalen Spiel sehr viel Spaß gemacht haben. „Zu sehen, was es hier für Möglichkeiten gibt, Szenen filmisch und digital umzusetzen, fanden viele wahnsinnig spannend.“ Besonders toll fanden es die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auch, dass sie ihre eigenen Ideen und Fähigkeiten, wie zum Beispiel dem Zeichnen von Szenen, einbringen konnten. „Schließlich war es schön zu sehen, wie stolz die Teilnehmenden auf das fertige Produkt waren.“

Mehr Informationen:

  • Ergänzend zum digitalen Krimispiel wurde im Projekt ein Padlet entwickelt, auf dem weiterführende Informationen und Tipps im Umgang mit Online-Herausforderungen zu finden sind.
  • Wie Medienpraxis kreativ gestaltet werden kann, zeigt auch das GMK-M-Team auf seiner Webseite.
  • Weitere Informationen zum Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen und mögliche Online-Herausforderungen enthält der „Gefährdungsatlas. Digitales Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln“ der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz.

Bettina Goerdeler