• Praxisbeispiel

Mit Medien kreativ sein: Trickfilmproduktionen mit Grundschulkindern

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„Als ich den fertigen Film gesehen habe, fand ich ihn mega cool und voll spannend.“ Das sagt die neunjährige Sophia, die an einem Workshop teilgenommen hat, bei dem sich alles um die Produktion von Trickfilmen dreht. Dort lernen Kinder, selbst etwas zu gestalten, herzustellen und kreativ zu sein. Die Arbeit mit Medien bietet Kindern außerdem gute Möglichkeiten, ihre Themen aufzugreifen und eigene Geschichten zu erzählen.

In der kreativen Trickfilmarbeit erleben Grundschulkinder gemeinsam einen komplexen Vorgang: Mit all ihren Sinnen, also durch das Fühlen, Erkennen, Denken, Machen, Erleben und Interpretieren können sie ihre Ideen visuell umsetzen. Dabei werden Kinder von Konsumierenden zu Herstellenden und verstehen über ihr Handeln die Arbeit mit Medien. Wie ein Workshop zur Trickfilmproduktion ablaufen kann, wird im Folgenden erläutert.

Vorbereitung von Material und Technik

Bevor man mit der Medienproduktion loslegen kann, ist es wichtig, auf einem Tisch die dafür notwendigen Materialien bereitzulegen. Dazu zählt buntes Kartonpapier in unterschiedlichen Farben und Größen. Zudem werden drei bis fünf Tablets mit einer Stop-Motion-App, wie zum Beispiel „Stop Motion Studio“, benötigt. Ein externes Mikrofon für das Tablet ist außerdem sinnvoll, da die Sprachaufnahmen dann eine bessere Tonqualität haben. Aufnahmen mit dem integrierten Mikrofon im Tablet funktionieren natürlich auch. Das Tablet wird am besten an einem Stativ befestigt, es ist aber auch möglich, das Tablet am Tisch zu befestigen. Für ein ausgewogenes Lichtverhältnis werden Klemmlampen benötigt. Für die Nachbearbeitung braucht man ein Schnittprogramm.

Durchführung eines Trickfilmworkshops

Der Workshop ist für fünf Tage konzipiert, mit täglich fünf Stunden für 10-14 Kinder und unter der Anleitung von zwei Medienpädagog:innen.

Um sich gegenseitig besser kennenzulernen, ist es zu Beginn des Workshops sinnvoll, ein paar Kennenlernspiele durchzuführen. Anschließend folgt eine Frage- und Austauschrunde, in der wir mit den Kindern darüber sprechen, was ein Trickfilm ist und was einen Trickfilm ausmacht. Dann nehmen wir ein Tablet und stellen die Stop-Motion-App vor. Mit einem Bewegungsspiel erklären wir die App. Zum Beispiel bewegt sich ein Kind langsam in den Raum hinein, d. h. es bewegt Fuß und Arm in Zeitlupe und verschwindet langsam hinter einem kleinen Bücherschrank oder was sonst im Raum vorhanden ist. Die anderen Kinder fotografieren jede Bewegung in der Stop-Motion-App und damit entsteht der erste kleine Film.

Im Anschluss sammeln wir mit den Kindern wichtige Kriterien für die Produktion: Licht, Stabilität des Tablets, Bildausschnitte und Ton.

Danach wenden wir uns der kreativen Arbeit zu. Wir erklären die Grundlagen zum Aufbau einer Geschichte und Grundelemente der Dramaturgie. Was ist die Geschichte? Wie sind die Charaktere? Wie sehen die aus? Wo spielt die Geschichte? Welche Hintergründe gibt es? Dies sind zentrale Fragen, die wir gemeinsam mit den Kindern erarbeiten.

Analoges Arbeiten

Im ersten Schritt entwickeln wir im Gespräch mit den Kindern Ideen für eine Geschichte. Sobald klar ist, was wie erzählt werden soll, malen wir analog ein Storyboard auf die Tafel. Die Geschichte wird in ihre Einzelteile zerlegt und festgelegt, wann, wo und in welcher Reihenfolge Figuren, Szenen und Hintergründe im Film auftauchen.

Dann wird die Gruppe aufgeteilt: In der Regel arbeiten zwei bis vier Kinder zusammen an einer Sequenz, für die sie verantwortlich sind. Dann geht das Basteln, Malen und Ausschneiden der Figuren und Hintergründe los.

In der Teamarbeit lernen die Kinder eigenständig und zusammen die Arbeiten umzusetzen. In der Interaktion mit anderen Kindern schulen alle ihre Sozialkompetenz. Sie begreifen Inhalte und stellen Zusammenhänge in ihrer Trickfilmgeschichte her. Ihre Feinmotorik wird trainiert, da die Kinder alle Figuren und Szenen selber ausmalen und ausschneiden. Unterschiedliche Fachkompetenzen wie gestalterische und sprachliche Ausdrucksfähigkeit als auch Aussprache und Wahrnehmungsfähigkeit werden ebenfalls gestärkt und verbessert.

Digitales Arbeiten

Am dritten Tag des Workshops beginnt in der Regel die Arbeit mit dem Tablet und der Stop-Motion-App. Je nach Produktionsaufwand bauen wir drei oder vier Stationen auf, d. h. die Tablets werden entweder auf dem Stativ oder Tisch stabil befestigt. Das Licht wird mit den Klemmlampen so eingerichtet, dass keine ungewollten Schatten auf den Hintergrund fallen können. Dann beginnen die Kinder an den Stationen zu arbeiten, d.h. Foto für Foto knipsen sie in der Stop-Motion-App mit dem Tablet. Die teilnehmenden Kinder lernen genau hinzusehen und mit Konzentration legen und bewegen sie Schritt für Schritt ihre Figuren oder Hintergründe. Pro Bewegung sollten vier bis sieben Fotos gemacht werden. In dieser Phase probieren und testen die Kinder viel aus. Linus, ein zehnjähriger Teilnehmer aus einem Workshop berichtet: „Ich habe viel im Umgang mit der Kamera und der Technik gelernt. Aber auch wie man Figuren bastelt, z. B. die Hauptfiguren Maus und Pfeil.“ Natalie, neun Jahre alt, erzählt: „Wir haben eine echte Computermaus genommen und Ohren und eine Nase ran geklebt. Am schönsten fand ich dann wie sich die Maus und der Pfeil am Ende von alleine bewegt haben.“

Tonaufnahmen

Ab dem vierten Tag starten wir mit der Vertonung der Figuren. Die Kinder schreiben Texte für ihre Figuren und sprechen sie ein. Oft wird auch improvisiert und die Kinder sprechen ihre Rollen ohne Texte ein. Beim Einsprechen ist es sehr wichtig, auf die Zeit zu achten, damit im Schnitt nicht zu viel Nacharbeit hinzukommt. Die neunjährige Teilnehmerin Emilia sagt dazu: „Ich fand es super, dass wir die Stimmen der Figuren gesprochen haben.“ Die Kinder lernen spielerisch ihre Texte zu schreiben. Sie lernen außerdem, gut zuzuhören und deutlich und artikuliert ihre Texte einzusprechen.

Abschluss des Workshops

Am letzten Tag des Projektes werden fehlende Aufnahmearbeiten gemacht und den Kindern wird grob gezeigt, wie der Schnitt funktioniert, d. h. das Zusammenfügen der Szenen. Den Feinschnitt des Trickfilmes mit Musik- und Tonunterlegung wie Effekten übernehmen dann die Medienprofis. Am Ende der Woche wird der Film präsentiert und die Kinder erhalten das Video als mp4 Format auf einen USB-Stick.

Erkenntnisse

Während der Workshops lernen die Kinder eine Vielzahl an Kompetenzen fast nebenbei. Sie erkennen Zusammenhänge, wie z. B. Yassine (9 Jahre) über Youtuber sagte: „YouTubern darf man nicht alles glauben. Die erzählen auch manchmal Quatsch!“ Im Internet muss man aufpassen. Fotos von sich selbst posten ist nicht gut.“ Oder Jack (9 Jahre) lernte, wie eine Recherche funktioniert: „Ich habe gelernt mit Frag Finn Sachen heraus zu finden.“

Medienarbeit macht den Kindern Spaß, da sie ihre Kommunikation selber gestalten können und am Geschehen teilnehmen! Die Kinder lernen den schöpferischen und kreativen Prozess kennen und die Möglichkeiten der Teilhabe spornt die Kinder an ihr Bestes zu geben. 


Gudrun Leopold, Filmemacherin, Medienpädagogin und Projektleiterin bei Haste Töne