• Interview

Digital, vielfältig und engagiert: TINCON - Das Festival für digitale Jugendkultur

Junge Menschen auf der TINCON

Ob mit Freunden chatten, ein spannendes Spiel zocken oder mit einem Tutorial lernen. Digitale Medien sind Teil der Jugendkultur und werden ganz vielfältig von jungen Menschen genutzt. Dabei sind Jugendliche nicht nur Nutzer*innen von Inhalten, sondern produzieren auch selbst Texte, Bilder und Videos, in denen sie beispielsweise ihre Meinung äußern und über Themen sprechen, die ihnen wichtig sind. Wir wollten wissen, wie die TINCON - das Festival für digitale Jugendkultur - Jugendliche dabei unterstützt, ihre Ideen, Wünsche und Ansichten einzubringen und digital an der Gesellschaft teilzuhaben. Dafür sprachen wir mit dem Team der TINCON, der Projektleiterin Sheherazade Becker, der Programmleiterin Carla Barzen und der Kommunikationsleiterin Corinna Hinze.

Was ist die TINCON?

Die TINCON ist die Konferenz für digitale Jugendkultur. Wir bieten jungen Sprecher*innen und den Themen, die sie beschäftigen, eine Bühne und stellen digitale Jugendkultur in den Fokus. Jugendliche und junge Erwachsene sind aktiv in die Programmplanung, Umsetzung und Kommunikation der Veranstaltungen eingebunden. So wird die TINCON zu einem Ort, an dem sich junge Leute von 13 bis 25 Jahren auf Augenhöhe informieren, ausprobieren und vernetzen können.

Wie inspiriert Ihr Jugendliche dabei mit Medien kreativ und gleichzeitig reflektiert umzugehen?

Das Digitale ist ganz selbstverständlich für Jugendliche der Raum, in dem sie sich tagtäglich aufhalten. Dort wird gelernt, gespielt, Informationen und Nachrichten eingeholt, mit Freunden kommuniziert und vieles mehr. Medienkompetenz muss deshalb als vielschichtige Kompetenz verstanden werden. Es geht nicht nur darum, falsche von richtigen Nachrichtenmeldungen zu unterscheiden. Dazu kann ebenso gehören, in Instagram Stories eine gute Geschichte zu erzählen oder darüber aufzuklären, wie man sich gegen Hate Speech wehren kann - all das sind Inhalte von Workshops, Talks oder Diskussionsrunden auf der TINCON.

Wir haben das Gefühl, dass viele ältere Menschen unterschätzen, wie souverän sich junge Menschen im Digitalen bewegen. Es ist besonders wichtig, die Themen und Inhalte der digitalen Jugendkultur ernst zu nehmen und junge Menschen zu Wort kommen zu lassen. Nur dann kann ein Gespräch auf Augenhöhe zustande kommen.

Wie unterstützt und ermutigt Ihr Jugendliche zur digitalen gesellschaftlichen Teilhabe?

Viele der Jugendlichen, die wir auf der TINCON erleben, bringen ein großes Interesse an gesellschaftlicher Teilhabe mit. Sie sehen sehr genau, wo die Fehler liegen, die ihre eigene Stimme gesamtgesellschaftlich nur sehr leise erscheinen lassen. Wir bieten jungen Menschen als Speaker*in eine Bühne und unterstützen sie ihre Anliegen und Forderungen sichtbar zu machen. Das können Themen wie Gleichberechtigung, Umweltschutz oder Netzpolitik sein. Durch den Bezug zu alltäglichen Themen und Praktiken von Jugendlichen sowie eine unterhaltsame und lebensnahe Vermittlung von Inhalten versuchen wir außerdem auch diejenigen zu erreichen, die reine Informationsangebote vielleicht eher nicht rezipieren würden. Politische Bildung scheitert ja oft daran, dass sie nur die schon privilegierten und politisch kompetenten Schichten erreicht. Dem wollen wir entgegenwirken und die Hemmschwelle senken.

Wie können Jugendliche bei der TINCON mitgestalten?

Jugendliche können sich bei der TINCON auf allen Ebenen einbringen. Sei es in der Programmplanung, der Redaktion oder der Umsetzung vor Ort. Das zehnköpfige U21-Team ist in allen Bereichen eingebunden und erarbeitet in den Monaten vor dem Event gemeinsam mit dem TINCON-Kernteam die Veranstaltung. Im Programmworkshop mit ca. 40 Jugendlichen zum Anfang des Jahres werden die Themenschwerpunkte und Speaker*innen für die kommenden Veranstaltungen erarbeitet. Die eingereichten Vorschläge bilden die Grundlage für die Konferenzplanung. Außerdem gibt es einen stetig wachsenden Jugendbeirat mit derzeit 50 Mitgliedern, der uns beratend zur Seite steht. Zudem gibt es natürlich auch die Möglichkeit, selbst Speaker*in auf der TINCON werden.

Wie sehen Jugendliche selbst ihre Teilhabemöglichkeiten? Welche Herausforderungen sehen sie?

Jugendliche sehen sehr genau, dass sie oft nicht ernst genommen werden und ihre Meinungen bei den Entscheidungen Erwachsener keine große Rolle spielen. Unserer Erfahrung nach ist es für Jugendliche sehr frustrierend, wenn sie sich politisch engagieren und einfach nicht gehört werden. Selbst dann nicht, wenn sie gute Argumente und Fakten auf ihrer Seite haben. Wir nennen es „Teenwashing“, wenn junge Menschen nur belächelt und ihre Kritik nicht ernst genommen wird: Namen, Gesichter und Anliegen von jungen Leuten werden genutzt, um das eigene Image aufzuwerten, ohne dass für die zugrundeliegenden Werte eingestanden wird. Die Pressesprecher*innen von Fridays for Future Berlin, Clara und Quang, haben im Mai bei uns darüber gesprochen, wie wütend sie das macht.

Gesamtgesellschaftlich ist die größte Herausforderung, jungen Menschen zuzuhören und ihre Meinungen ernst zu nehmen. Außerdem sollten Themen, die besonders junge Menschen betreffen, wie beispielsweise Bildung, Armut im Kindes- und Jugendalter oder Digitalisierung einen größeren Stellenwert in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen bekommen.

Welche gesellschaftlichen Themen beschäftigen Jugendliche gerade besonders?

Die Themengebiete reichen von Netzpolitik & Coding über Aktivismus & politischer Protest bis hin zu queerfeministischen & Mental Health Themen. Der Wunsch nach mehr politischer Teilhabe scheint dabei immer wieder durch. Vor allem bei Themen, die die Jugendlichen direkt betreffen, wie Bildungspolitik und Umweltschutz. Neu war für uns dieses Jahr beim Programmworkshop das wachsende Interesse an Science im Allgemeinen und Methoden wissenschaftlicher Recherche im Speziellen. Ein spannendes Indiz dafür, dass Jugendlichen die Fähigkeit selbständig Informationen überprüfen zu können, in unserer Gesellschaft zunehmend wichtiger wird.

Wie können pädagogische Fachkräfte Jugendliche in ihrem Recht auf Teilhabe unterstützen und befähigen?

Wir machen die Erfahrung, dass Jugendliche sehr genau spüren, ob und wann ihre Anliegen ernst genommen werden. Viele von ihnen verstehen zum Beispiel nicht, dass das Wahlrecht nicht zu ihren Gunsten reformiert wird. Oder, dass die Klimaziele nicht ernsthaft verfolgt werden und nicht mehr Geld für die Schulen ausgegeben wird, in denen sie auf das Leben vorbereitet werden sollen. Außerdem wollen sie nicht nur in Schein-Debatten zur Rate gezogen werden. Daher ist es wichtig, junge Menschen genauso ernst zu nehmen, genauso wie jede andere gesellschaftliche Gruppe.

Wenn wir die junge Generation unterstützen wollen, sollten wir ihren Anliegen eine Bühne bieten und auch im eigenen Umfeld ein Sprachrohr sein. Außerdem sollten wir vor allem die digitale Jugendkultur nicht einfach als „Trend“ abwerten, sondern uns genau anschauen, welche Bedürfnisse, Werte und Verhandlungen dahinterstecken. Dafür ist die TINCON eine super Anlaufstelle. Auch Pädagog*innen mit Jugendgruppen und Lehrkräfte mit Schüler*innen sind bei uns immer herzlich willkommen.

 

Weitere Informationen:

  • Neugierig geworden? Weitere Informationen und anstehende Termine gibt es auf der Webseite von TINCON.
  • Ob Tüftler*in, Robotic-Fan oder Programmierer*in: Kreative Ideen sind beim Deutschen Multimediapreis mb21 gefragt, ein bundesweiter Wettbewerb für digitale, netzbasierte und interaktive Arbeiten. Der diesjährige Wettbewerb startet unter dem Motto "Bits und Bäume". Junge Medienmacher*innen können ihre Projekte bis zum 10. August 2020 einreichen. Los geht's!
  • Wie Kinder und Jugendliche ihr digitales Handeln sehen, wird im Projekt Act On! des JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis untersucht. Dort setzen sich Kinder und Jugendliche mit „ihrer“ Onlinewelt auseinander und bewerten mediale Risiken.

 

 

 

 

 


Bettina Goerdeler, Initiativbüro "Gutes Aufwachsen mit Medien"

Quelle: Sheherazade Becker, Carla Barzen, Corinna Hinze - TINCON e.V.