• Praxisbeispiel

Eltern an die Controller: Gemeinsam digitale Spiele erleben

Ein Erwachsener und ein Kind spielen gemeinsam ein Spiel.

Wir alle verbringen gerade viel Zeit zuhause - für viele Kinder und Jugendliche bedeutet das, sich auch mit digitalen Spielen zu beschäftigen. Die aktuelle JIM-Studie bestätigt: Corona-Zeit ist Spiele-Zeit.

Digitale Spiele sind im Familienalltag immer wieder Anlass für Stress und Streit. Wie lange darf gezockt werden? Welche Spiele sind in Ordnung? Hier sind die Vorstellungen der Eltern häufig ganz anders, als die der Kinder und Jugendlichen. Eltern möchten Interesse zeigen und sich als Gesprächspartner:innen anbieten, doch bei den häufig wechselnden, unterschiedlichen Spielen kann es schwerfallen, auf dem Laufenden zu bleiben. Das Kopfschütteln und Unverständnis der Eltern ist dabei umso heftiger, je weniger eigene Erfahrungen sie mit digitalen Spielen gemacht haben.

Interesse zeigen und gemeinsam spielen

Um zum Beispiel zu verstehen, dass Online-Spiele nicht immer sofort, während eines Levels oder einer Runde pausiert werden können, hilft am besten eines: Die Eltern müssen ran an die Controller. Durch gemeinsames Spielen zeigen sie Interesse an der Lebenswelt ihrer Kinder und erfahren die Faszination digitaler Spiele an sich selbst. Für dieses Abenteuer lässt sich der Lockdown hervorragend nutzen.

Kooperativ spielen - gemeinsam gewinnen

Besonders geeignet für eine Eltern-Kind-Spiele-Session sind kooperative Games. In denen müssen die Spieler:innen zusammenarbeiten, um gemeinsam die Aufgaben und Rätsel zu bewältigen. Gerade für Eltern mit wenig Spielerfahrung bietet sich hier die Chance mit dem Kind zu spielen und nicht nur als untrainierte:r Gegner:in „weggeputzt“ zu werden. Spiele wie „Unravel 2“ (Empfehlung des Spieleratgebers NRW: ab 8 Jahre) oder „Ibb & Obb“ (Empfehlung: ab 8 Jahren) sind durch ihre intuitive, leichte Steuerung besonders für Game-Neulinge zu empfehlen.

Digitale Spiele in der analogen Welt

Zocken ist nicht nur Unterhaltung und Ablenkung. Fähigkeiten, die in digitalen Spielen gelernt und trainiert werden, können auch für die analoge Welt relevant sein. Manche Spiele bieten sich besonders gut an, um die Trennung zwischen digital und analog aufzubrechen. Wie wäre es denn mit einer gemeinsamen Runde „Overcooked! 2“ (Empfehlung: ab 8 Jahre) vor dem Abendessen? Hier schlüpfen die Spieler:innen in die Rolle von Restaurant-Köch:innen, die ihre Aufgaben präzise aufeinander abstimmen müssen, um den hungrigen Gästen rechtzeitig ihre Bestellung an den Tisch zu bringen. Zutaten aus dem Lager holen, Gemüse schneiden, Teller waschen und dabei den Topf auf dem Herd nicht aus den Augen verlieren - das gelingt nur mit guter Absprache und lässt sich wunderbar beim anschließenden, analogen Kochen in der eigenen Küche fortsetzen.

Auch das beliebte Bau-Spiel „Minecraft“ (Empfehlung: ab 6 Jahre) lässt sich nicht nur hervorragend zusammenspielen, sondern bietet auch allerhand Möglichkeiten die analoge Welt mit der digitalen Welt zu verbinden. In einer anfangs leeren Welt können mit verschiedenen Bauklötzen ganze Städte gebaut werden. So kann zum Beispiel ein Spaziergang enorm an Reiz gewinnen, wenn danach aus dem Gedächtnis das eigene Wohngebiet nachgebaut werden soll. Oder der (bald hoffentlich wieder zu besuchende) Freizeitpark. Oder man versucht berühmte Bauwerke nachzubauen. Analog mit Bauklötzen und dann digital. Was fällt leichter? Warum hält die virtuelle Brücke stand, während die echte immer wieder zusammenstürzt? Oder man bastelt eigene Skins mit dem Skin-Editor. Oder, oder, oder … Das Wichtigste bleibt: Spielt gemeinsam!

Selbst kreativ werden

Es gibt viele Wege aktiv und kreativ mit Spielen umzugehen. Wenn großes Interesse an digitalen Spielen besteht, ist der Reiz einmal selbst ein Spiel zu entwerfen, häufig ebenfalls vorhanden. Mit den kostenlosen Diensten „Scratch“, „Kodu“, „Roblox“ (für ältere Kinder oder mit Begleitung) oder dem kostenpflichtigen „Dreams“ (für Playstation) lassen sich kinderleicht eigene Spielideen umsetzen und so spielerisch die Grundlagen der Programmierung kennenlernen. So werden aus passiven Gamer:innen, aktive Spieleentwickler:innen.

Mehr Spieler:innen - mehr Spaß? Ein Spieleabend mit der ganzen Familie

Mit den Titeln „Petoons Party“ (für die Jüngeren) und „Pummelparty“ (Empfehlung: ab 14 Jahre) können Brettspiele mal digital ausprobiert werden. Die Steuerung ist minimalistisch und auch für Unerprobte schnell zu verstehen. Wie bei analogen Brettspielen ist reihum jede Person einmal an der Reihe, würfelt (natürlich digital) und bewegt die eigene Figur über ein Spielfeld. Das lässt genug Zeit um sich nebenher per Telefonkonferenz zu unterhalten. Kurze Minigames sorgen für die Abwechslung. Die Spiele können recht lange dauern, sodass problemlos ein ganzer Spieleabend möglich ist.

Mitreißen lassen

Das gemeinsame Spielen macht schon Spaß, aber bitte nicht die ganze Zeit? Beim Spiel „Spiritfarer“ (Empfehlung: ab 12 Jahren) steuert man den Charakter Stella, die auf einem Hausboot mit vielen Tieren lebt und auserkoren wurde, verlorene Seelen ins Jenseits zu begleiten. Als Kapitänin erkundet sie die Welt und versucht den Tieren ihre letzten Wünsche zu erfüllen. Stella kümmert sich um alle: Sie kocht, pflanzt Gemüse an, geht Holzhacken und vieles mehr. Als zweiter Charakter kann die Schiffskatze gesteuert werden. Sie kann Stella bei allen Aufgaben helfen, muss sie aber nicht. Das Spiel findet einen guten Weg, sich mit den ernsten Themen Tod und Abschied auseinanderzusetzen und bietet einen Anlass über sie zu sprechen.

Eltern, denen das eigene Spielen einfach keinen Spaß macht, die aber trotzdem Interesse an der Spielewelt ihrer Kinder haben, können ihre Kinder dazu animieren, eigene Let’s Plays aufzunehmen. Das sind Videos, in denen eine Person das eigene Spielerleben kommentiert. So können ohne gemeinsames Spiel trotzdem Einblicke und Austausch angeregt werden.

Nochmals zusammengefasst:

  • Zeigen Sie Interesse an der Faszination der Kinder
  • Suchen Sie sich gemeinsam Spiele aus
  • Spielen Sie kooperative Spiele
  • Achten Sie auf die USK-Freigaben
  • Achten Sie auf eine leichte Steuerung
  • Fördern Sie das Interesse in der analogen Welt
  • Gestalten Sie eigene Spiele
  • Lassen Sie sich die Spielewelt zeigen

Niels Bauder ,Landesfilmdienst Thüringen e. V., Projekt MEiFA - Medienwelten in der Familie