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Jung, selbstbestimmt und aktiv: Wie digitale Jugendbeteiligung aussehen kann

Jugendliche, die um einen Tisch sitzen und im Austausch sind

Bunte Pappschilder, Plakate und laute Sprechchöre. So macht die Bewegung "Fridays for Future" auf sich aufmerksam. Junge Menschen engagieren sich vor Ort, gehen auf die Straße und teilen im Netz ihre Meinung zu Klimaschutz und einer nachhaltigen Zukunftspolitik. Wer denkt, dass die Jugend von heute politikverdrossen sei, wird spätestens durch diese Bewegung eines Besseren belehrt. Jugendliche wollen ihr Lebensumfeld und ihren Alltag aktiv mitgestalten, wie auch die aktuelle Shell Jugendstudie zeigt. Gleichzeitig verdeutlicht die Studie, dass sich ein Großteil der Heranwachsenden mehr Teilhabemöglichkeiten für Themen wünscht, die sie betreffen. Doch welche Beteiligungsformen für Jugendliche gibt es? Und wie können Jugendliche bei einer gesellschaftlichen und digitalen Teilhabe unterstützt werden? Darüber sprachen wir mit Katharina Bluhm, Medienpädagogin im Projekt „Digitale Jugendbeteiligung“ des Jugendmedienverbandes Mecklenburg-Vorpommern e.V. und gleichzeitig ein Partnerprojekt des Beteiligungsnetzwerkes Mecklenburg-Vorpommern.

Digitale Jugendbeteiligung

Die Redaktion einer Schülerzeitung, das Engagement in einem Jugendparlament oder in einem Sportverein oder selbstverwaltete Jugendräume: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Jugendliche sich gesellschaftlich beteiligen können. Auch die Werkzeuge dazu können unterschiedlich aussehen: Von Moderationskarten, auf die Ideen und Meinungen geschrieben werden können, bis zum Verfassen von Aufrufen und Stellungnahmen. All das ist auch digital möglich, zum Beispiel durch Onlineumfragen und Video- und Audiobeiträge, durch die sich junge Menschen Gehör verschaffen können. „Digitale Jugendbeteiligung heißt für mich Jugendbeteiligung mit Unterstützung digitaler Medien“, erläutert Katharina Bluhm. „Es ist toll, dass Jugendbeteiligung heute digitaler gestaltet werden kann und wir eine größere Bandbreite an Methoden haben, die wir einsetzen können." Praktisch ist auch, dass durch digitale Mittel Beteiligung und eine gemeinschaftliche Zusammenarbeit orts- und zeitunabhängig möglich ist: „So kann jede*r seine Idee im eigenen Tempo einbringen."

Das Projekt „Digitale Jugendbeteiligung“ unterstützt in ganz Mecklenburg-Vorpommern junge Menschen und Multiplikator*innen im Bildungsbereich bei digitalen Beteiligungsprozessen. „Wir wollen zum einen Jugendlichen helfen, die ein Projekt umsetzen oder sich engagieren wollen und beraten Kinder- und Jugendparlamente, wie sie digital(er) arbeiten können. Gleichzeitig arbeiten wir auch mit Multiplikator*innen - also Menschen aus der Jugendarbeit, in Kommunen und Verwaltung - zusammen, indem wir sie für das Thema der digitalen Beteiligung von jungen Menschen sensibilisieren und sie im Umgang mit digitalen Werkzeugen und Prozessen schulen“, erläutert Katharina Bluhm. Teil des Projektes ist auch der Podcast „Talk & Tools - der Jugendbeteiligungspodcast“, der Wissen vermittelt und Einblicke in die Digitalisierungsbeteiligung gibt. Zudem soll der Podcast ein Weg sein, Kinder und Jugendliche selbst zu ihren Wünschen und Interessen zu Wort kommen zu lassen.

„Um digitale Beteiligung zu ermöglichen, ist es zunächst wichtig, sich die Gruppe anzusehen, mit der gearbeitet wird“, berichtet Katharina Bluhm. Wer sind die Teilnehmenden? Was soll erreicht werden und welche Möglichkeiten gibt es dazu? Diese Fragen stehen am Anfang der Projektarbeit. „Wenn ich zum Beispiel vornehmlich mit Jugendlichen arbeite, die auf dem Land wohnen, wo es schlechten WLAN-Empfang gibt, muss ich mir Möglichkeiten überlegen, wie eine gute Beteiligung aussehen kann“. Gibt es vor Ort einen Jugendclub oder ein Freizeitzentrum kann zum Beispiel dort eine Laptop- oder Tablet-Station zur Nutzung aufgebaut werden. Grundsätzlich sollte die Vielzahl an Möglichkeiten der digitalen Teilhabe bedacht und breit und flexibel genutzt werden. „Das heißt, ich sollte nicht nur Dinge mit mir bekannten Werkzeugen - wie beispielsweise nur mit diesem einen Umfragetool - umzusetzen, sondern mutig sein und schauen, was es für eine Auswahl an digitalen Möglichkeiten gibt, um eine Idee umzusetzen“, erläutert Katharina Bluhm.

Gesellschaftliche Teilhabe Jugendlicher ermöglichen

Trotz der vielfältigen Möglichkeiten sich gesellschaftlich zu engagieren und das eigene Lebensumfeld aktiv mitzugestalten, können junge Menschen nicht uneingeschränkt ihre Ideen, Wünsche und Interessen in die Gesellschaft einbringen. Denn „echte Beteiligung heißt, dass Menschen - meistens Erwachsene - an bestimmten Stellen Macht abgeben und Entscheidungsspielräume öffnen müssen“, betont Katharina Bluhm. Ihrer Meinung nach passiert das noch zu wenig, auch wenn Kinder und Jugendliche laut Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ein Recht auf Beteiligung an gesellschaftlichen und politischen Prozessen haben. „Daher ist es ratsam, dass sich Jugendliche mit Gleichaltrigen oder Erwachsenen zusammenschließen, die sie unterstützen können. „Das sind wir, aber auch der lokale Verein oder die Initiative vor Ort, die helfen, Ideen zu formulieren und nach außen zu tragen oder den Kontakt zu Entscheidungsträger*innen herstellen." Wichtig in der Unterstützung ist es, junge Menschen zu ermutigen, ihre Meinung einzubringen. „Manchmal müssen Heranwachsende auch erst lernen, ihre Meinung überhaupt kundzutun“, erläutert Katharina Bluhm und ergänzt: „Wir wachsen in einer Gesellschaft auf, in der Ideen, Forderungen und Meinungen von Kindern und Jugendlichen nicht immer ernst genommen werden oder so getan wird, als ob sich junge Menschen nicht dafür interessieren, gesellschaftlich teilzuhaben." Die Schwierigkeit sieht Bluhm auch darin, dass Heranwachsende entmutigt werden können, wenn sie mit ihren Ideen immer wieder auf Widerstand stoßen und nicht ernst genommen werden. „Ziel muss es daher sein eine Kultur der Beteiligung zu schaffen, an der alle teilhaben können."

Die Rolle von pädagogischen Fachkräften

Pädagogische Fachkräfte können Jugendliche dabei unterstützen und sie ermutigen, sich gesellschaftlich zu engagieren und die eigenen Interessen einzubringen. Dafür ist es zuallererst wichtig, dass jede Fachkraft selbst reflektiert, wie Jugendbeteiligung im eigenen Projekt oder in der Einrichtung aussehen und gestaltet werden kann. Es geht dabei auch darum, sich als Pädagog*in selbst zu fragen, inwiefern Jugendliche bereits in Entscheidungen - zum Beispiel bei der Einrichtung eines neuen Raums im Jugendclub oder der Gestaltung eines Ferienprogramms - einbezogen werden und was alle Beteiligten voneinander lernen können. „Ich denke, das fängt schon bei diesen Dingen im ganz Kleinen an, was wir täglich in unseren Projekten umsetzen können“, sagt Katharina Bluhm.

Voraussetzung für die Gestaltung von Teilhabe ist natürlich das Wissen von pädagogischen Fachkräften um analoge und digitale Beteiligungsmethoden und die Entwicklung der eigenen Haltung: „Da sollte jede Fachkraft zunächst sich selbst fragen, was sie ermöglichen kann. Und auch das ist etwas, was aufgezeigt und reflektiert werden sollte“, meint Katharina Bluhm. Dementsprechend wichtig ist eine gute Begleitung pädagogischer Fachkräfte in Form von Aus- oder Weiterbildung.

Herausforderungen und Grenzen im Prozess digitaler Jugendbeteiligung

Um möglichst viele Jugendliche und nicht nur diejenigen, die schon organisiert sind zu erreichen, sollten Beteiligungsprozesse niedrigschwellig gestaltet sein. „Dabei darf man nicht dem Irrglauben erliegen, dass man - nur, weil vieles heutzutage digital abläuft - damit auch alle Jugendlichen erreicht bzw. Jugendliche auch Lust haben in einer bestimmten digitalen Form zusammenzuarbeiten“, erklärt Katharina Bluhm. Die Nutzung digitaler Werkzeuge kann also auch Hürden schaffen: „Zum Beispiel kann es sein, dass einige aus der Zielgruppe von Jugendlichen, die ich erreichen möchte, gerade nicht in dem sozialen Netzwerk sind, das ich nutze und ich sie daher dann auch nicht erreiche." Ähnliche Hürden kann es allerdings auch bei der Nutzung analoger Werkzeuge geben. Bluhm plädiert daher für eine Mischung aus digitalen und analogen Beteiligungswerkzeugen, um möglichst viele unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen. Am besten ist es Jugendliche dabei schon in die Vorbereitung mit einzubeziehen und gemeinsam mit ihnen Prozesse zu gestalten. So kann auch verhindert werden, dass bestimmte Methoden von einer jungen Zielgruppe abgelehnt und als unsinnig empfunden werden: „Es geht nicht darum, dass ich selbst eine tolle Idee habe, die ich umsetzen möchte, sondern darum, dass der Prozess der Beteiligung für unsere Zielgruppe - junge Menschen - funktioniert. Da ist es sinnvoll, Methoden vorher gemeinsam zu testen und zu besprechen“, erklärt Katharina Bluhm“. Entscheidend im ganzen Prozess der Beteiligung ist, dass Jugendliche tatsächlich Dinge und Themen, die sie betreffen, mitentscheiden und mitbestimmen dürfen. „Wird dies nicht befolgt und beispielsweise nur pro forma eine Umfrage gemacht, kann es sein, dass wir junge Menschen verprellen und sie sich in Situationen, in denen sie tatsächlich etwas entscheiden können, nicht beteiligen."

Weitere Informationen

  • Neugierig geworden auf das Projekt „Digitale Jugendbeteiligung“ des Jugendmedienverbandes Mecklenburg-Vorpommern? Auf dieser Webseite gibt es weitere Informationen und Anregungen.
  • Die Plattform „jugend.beteiligen.jetzt“ stellt Wissen zu Prozessen, Praxisbeispiele und Werkzeuge für digitale Beteiligungsprozesse von Jugendlichen bereit.
  • Tipps für die Praxis: Der Leitfaden "JugendBarcamp - Leitfaden für ein offenes Veranstaltungsformat" gibt Tipps und Hinweise zur Planung, Organisation und Durchführung von Barcmaps, die sich an Jugendliche richten. Der Leitfaden geht auch auf Online-Barcmaps ein.

 

 

 

 

 

 

 

 


Bettina Goerdeler, Initiativbüro

Quelle: Katharina Bluhm, Medienpädagogin