• Meldung

Kinderfotos im Netz und die Verantwortung der Eltern - Interview mit Toyah Diebel von #DeinKindAuchNicht

Der Schauspieler Wilson Gonzalez Ochsenknecht unterstützt die Kampagne.

Kleine Kinder grinsen vom Klo, ein Schnappschuss fängt den letzten Wutanfall ein und alle Fotos zieren Likes und Herzen. Viele stolze Eltern posten Fotos ihrer Kinder in sozialen Netzwerken. Dass Kinder damit vielleicht gar nicht so einverstanden sind, zeigt die Podcasterin und Bloggerin Toyah Diebel mit der Kampagne #DeinKindAuchNicht. Sie hat beliebte Kinderbilder im Netz mit Erwachsenen nachgestellt. Plötzlich wirken die Posen nicht mehr süß, sondern intim und entblößend. Würden wir uns so im Netz darstellen wollen? Im Interview mit „Gutes Aufwachsen mit Medien“ erzählt Toyah Diebel von kindlicher Privatsphäre, Badewannenbildern und ihrer Bitte an die Eltern.

Wie bist du auf das Thema „Kinderfotos im Netz“ aufmerksam geworden?

Ich bin selber sehr aktiv auf Instagram. Wenn man sich da die verschiedenen Influencer und Blogger anguckt, dann merkt man recht schnell, dass da nicht nur Erwachsene dabei sind, sondern auch Kinder. Da gibt es zwei Kategorien: einmal die, die den Account selbst führen, also die bereits 14 Jahre alt sind. Und dann gibt es die Accounts, wo Kinderbilder von Erwachsenen gepostet werden, oft von den Eltern. Dabei handelt es sich häufig um Bilder, auf denen die Privatsphäre oder die Identität des Kindes nicht geschützt wird. Und ich habe mich dann gefragt: Wie kann das eigentlich sein?

Warum posten Eltern Kinderfotos in sozialen Netzwerken?

Ich glaube, da gibt es verschiedene Intentionen. Einerseits ist es so, dass Eltern natürlich wahnsinnig stolz auf ihren Nachwuchs sind - und das sollen sie auch sein. Es gibt einen großen Drang, das auch der Welt zu zeigen. Wir alle kennen Eltern, die gerne über ihre Kinder sprechen und in Zeiten der digitalen Medien macht man das dann auch über diese. Dafür möchte man Anerkennung. Für den Nachwuchs, wie gut der aussieht, wie toll er erzogen ist, wie toll er angezogen ist, was für tolle Bilder man mit ihm macht. Und jeder weiß, was Aufmerksamkeit und Likes mit einem anrichten: Euphorie und Bestätigung. Es ist natürlich toll, wenn man ein Bild von seinem Kind postet und dann sagen alle: Ach, ist das süß! Und schicken ganz viele Likes und Herzen. Es würde mich auch stolz machen, wenn die Leute mein Kind toll fänden. Die Frage ist dann nur: welche Rolle spielt das Kind dabei? Es hat überhaupt gar keine Wahl, ob es das überhaupt möchte oder nicht.

Wo siehst du die Gefahren?

Jeder sollte sich fragen, wie es für ihn selbst wäre, wenn man in ein Alter kommt, wo man anfängt das Internet zu nutzen und man dann entdeckt, dass die eigene Identität schon im Internet existiert. Man kann sich sein Bild dort eigentlich gar nicht mehr selbst formen. Ich weiß nicht, was das mit der Psyche macht, aber ich kann für mich sprechen und sagen, dass ich mich da übergangen fühlen würde. Ich persönlich würde nicht wollen, dass es Bilder von mir als Kind im Netz gibt, wo ich in der Badewanne sitze. Und das hat nichts damit zu tun, dass ich ein besonders hässliches nacktes Kind war, sondern einfach, weil es mir zu privat wäre. Ich habe die Wahl, zu entscheiden, ob ich mich selbst nackt in der Badewanne poste oder nicht. Viele Kinder haben die Wahl nicht. Das finde ich mehr als tragisch. Und von Seiten der Eltern sogar sehr fahrlässig.

Wie sehen Alternativen aus? Was können Eltern besser machen?

Ich glaube es ist oft so, dass Eltern, beziehungsweise Erwachsenen allgemein, Medienkompetenz fehlt. Ihnen ist nicht bewusst, was es bedeutet, sensible Daten und Bilder im Internet zu veröffentlichen und was für Konsequenzen das haben kann, vor allem für das Kind. Wenn wir heute ein Bild vom Gesicht unseres Kindes posten, dann wissen wir nicht, was in dreißig Jahren damit möglich ist. Schon jetzt gibt es Techniken, wie der Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger mir erklärte, mit denen man anhand der Iris schon die Identität des erwachsenen Menschen nachvollziehen kann. Das finde ich echt krass. Da setzt man sich Scheuklappen auf, wenn man sagt: Das ist die Zukunft, da denke ich jetzt nicht drüber nach. Musst du aber! Für mich ist es tatsächlich Bildung. Ein Kind allein in dieses große Internet zu lassen ist völlig fahrlässig. Man kann sein Kind an die Hand nehmen und mit ihm zusammen das Internet erkunden oder kennenlernen. Das ist die Verantwortung der Eltern. Das Problem ist, wenn die Eltern schon keine Medienkompetenz haben, dann leben sie den Kindern ihr Verhalten im Internet vor. Die Kinder machen das dann wiederum nach und dann sitzen wir in zwanzig Jahren wieder hier. Da muss noch einiges passieren.

Bei welchen Kinderfotos von dir bist du froh, dass sie nicht im Netz zu finden sind?

Für mich sind das jegliche Bilder, wo ich mich in meiner Privatsphäre gestört fühle. Das kann auch ein Bild sein, wie meine Mutter mich stillt. Das liegt nicht daran, dass ich es blöd finde, wenn Mütter ihre Kinder stillen. Frauen sollen überall, an jedem Ort der Welt und auch in der Öffentlichkeit ihre Kinder stillen dürfen. Aber wenn man das Gesicht des Kindes sieht, dann nimmt man dem Kind die Privatsphäre. Die Mutter kann das selber entscheiden, das Kind nicht. Es geht mir nicht darum, welche Bilder ich von mir jetzt explizit nicht zeigen würde. Mir geht es aber darum, dass ich die Wahl habe, das entscheiden zu können. Es ist ja subjektiv für jeden, welche Bilder er veröffentlichen will oder nicht, aber man sollte doch bitte die Wahl haben. Darum geht es mir.

Weitere Informationen


 Logo des Initiativbüros