• Interview

Virtuelle Realität: Erlebnisse im Wald aus Pixeln

Eine Person, die eine Virtual Reality Brille aufhat.

Eines Abends fahre ich schreiend Achterbahnloopings in meinem Wohnzimmer. Die VR-Brille ruht schwer auf der Nasenwurzel und durch die Kopfhörer macht sich ein Gefühl des Eingeschlossenseins breit, das zugleich den Zugang zu anderen Welten öffnet. Virtual Reality, die sogenannte Virtuelle Realität (VR), lässt uns mit den entsprechenden Werkzeugen, die aussehen wie Skibrillen, in dreidimensional programmierte Welten eintauchen. Diese können wir eigenständig erkunden oder einer vorprogrammierten Geschichte folgen.

Virtual Reality in der Bildung

„Virtual Reality wird gerade viel in Bereichen eingesetzt, in denen körperliche Abläufe geprobt werden müssen, zum Beispiel können Medizinstudierende die Präzision lernen, um jemanden zu operieren“, beschreibt Anna Mauersberger von HeartWire. Auch in der Berufsorientierung werden VR-Brillen erprobt, wie zum Beispiel beim Projekt „Dein erster Tag“ der Studio2B GmbH. Die Virtuelle Realität ermöglicht ein sicheres Hineinschnuppern und Erleben von Berufen, ein Erfahrungen sammeln ohne Risiko.

Lernerfahrung wird immer mehr zum Schlagwort im Bereich der digitalen Bildung. Medien sollen spezielle Zugänge zu Erfahrungsräumen liefern, die sonst nicht zugänglich wären - und dadurch zu Erkenntnissen und Lernerfolgen führen. Für den alltäglichen pädagogischen Einsatz ist Virtual Reality dabei noch eine zu aufwändige und kostenintensive Variante. Für einen Einstieg ins Thema Virtual Reality werden VR-Brillen in der medienpädagogischen Praxis deshalb häufig selbst gebastelt, man braucht nur etwas Pappe, Linsen, eine Vorlage und ein Smartphone, um das Prinzip des 3D-Sehens zu vermitteln.

Durch Erfahrung zur Erkenntnis?

Das Team von Heartwire versucht mit dem von der Robert Bosch Stiftung geförderten Projekt „THE SHAPE OF US“ verschiedene Möglichkeiten des Einsatzes von Virtual Reality in der non-formalen Bildung zu erforschen. Der Schwerpunkt der Experience THE SHAPE OF US ist Klimawandel und Naturverbindung. Für zwanzig Minuten lauscht man einer Geschichte und ist zugleich Teil davon. Man sieht Bäume wachsen und sterben, steigt aus dem Feuer und fragt sich kurz, ob die Fingerspitzen wirklich warm werden, kriecht durch Tunnel und lauscht und hört und greift in die Luft. Das Besondere daran: Es handelt sich um eine ganzheitliche Sinneserfahrung, bei der nicht nur dreidimensionales Sehen ermöglicht wird, sondern bei der der ganze Körper zum Einsatz kommt.

Reicht diese virtuelle Naturerfahrung, um den Klimawandel zu begreifen? „Eine einzelne VR-Erfahrung wird das Lernen nicht so beeinflussen, dass du danach ein anderer Mensch bist - das ist Quatsch und widerspricht jeder Lerntheorie.“ Anna Mauersberger sieht das Interessante nicht in der Experience (engl. = Erfahrung) selbst, sondern dort, wo man sich darüber hinaus mit den Gefühlen und Gedanken beschäftigt. Dies werde zur wichtigsten Fragen, wenn es um VR zu Bildungszwecken geht: Wie betten wir es ein, sodass es wirklich zu etwas Persönlichem wird, das uns bereichern kann? Sonst verharren wir in der Spielerei.

Medienpädagogischer Einsatz

VR-Erfahrungen können Jugendlichen und Erwachsenen Zugänge zu Orten und Erlebnissen verschaffen, die ihnen sonst verschlossen sind. In der Aus- und Weiterbildung bieten sie einen geschützten Raum des Ausprobierens. Doch die VR-Brille schottet ab, jede:r Jugendliche ist mit der Erfahrung währenddessen allein. Die erlebten Geschichten müssen eingebettet und thematisiert werden - es eignet sich deshalb eher für ältere Jugendliche und die Erwachsene, um sie in Kontexte zu bringen, die sie normalerweise nicht betreten würden. „Eigentlich könnte man die Leute auch schnappen und in den Wald fahren, nur macht es niemand, weil es nicht so sexy ist,“ sagt Mauersberger. Die in den nächsten Jahren zu erkundenden Fragen bleiben also: Welche Dinge ermöglicht mir VR, die mir sonst nicht ermöglich werden? Und wie fangen wir diese Erfahrungen pädagogisch auf?

 

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Ariane Hussy, Initiativbüro "Gutes Aufwachsen mit Medien"

Quelle: Anna Mauersberger, Gründerin von HeartWire