• Hintergrund

Wie sich die Medienerziehung verändert hat

TV Gerät aus den 50er Jahren

Für ein gutes Aufwachsen mit Medien sind unsere Kinder und Jugendlichen heute angesichts der rasanten Medienentwicklungen mit ihren Auswirkungen auf alle privaten und gesellschaftlichen Lebensbereiche mehr denn je auf eine wirksame Unterstützung durch Medienerziehung angewiesen. Das wird deutlich, wenn man die geschichtliche Entwicklung der Medienerziehung betrachtet.

 

Medienerziehung bis in die 1990er Jahre

 

In den 1960er und 1970er Jahren konzentrierte sich Medienerziehung auf das Leitmedium Fernsehen und weitete sich dann mit der Vervielfältigung der Massenmedien und Ausbreitung der Videofilme und Videospiele auf den Schutz vor Action, Horror, Porno und Gewalt sowie die Verhinderung eines übermäßigen Medienkonsums aus. In der Folge richtete sich das Ziel der Medienerziehung darauf, die Möglichkeiten des Lehrens und Lernens mit Medien (mit Dias, Tonbildreihen, Tonkassetten, Schallplatten, Videofilmen, Schulfunk und -fernsehen) zu erschließen. Seit den 1980er Jahren führte die rasche Ausbreitung der Personal Computer (PC) zur Forderung nach Einsatz des Computers als Lerninstrument und nach Computerkompetenz (informationstechnischer Bildung). Medienerziehung sollte damals in den 1990er Jahren das Lernen mit Medien und die informatische Bildung in der Schule unter dem Dach einer integrativen Medienerziehung zusammenführen. In der außerschulischen Medienerziehung setzte sich in dieser Zeit die praktische Medienarbeit auf der Grundlage handlungsorientierter Projekte, zum Beispiel Videofilmarbeit, zur Verwirklichung einer alle Medien umfassenden Medienkompetenzförderung durch.

 

 

Medienerziehung um die Jahrtausendwende

 

 

Seit der Jahrtausendwende brachte die schnelle Ausweitung des Internet und die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung ein System hervor, in dem alle Medien zusammenwuchsen. Die damit verbundenen Handlungs-, Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten, zum Beispiel bei der Informationsgewinnung im Netz, beim Einsatz von Apps beim Lernen oder beim Spiel von Serious Games, lösten eine ungeahnte pädagogische Begeisterung aus. In der Folge wurden unter der Leitidee Medienbildung die Bildungschancen der digitalen Medien stärker in den Vordergrund gestellt. Dafür gibt es inzwischen vielfältige Konzepte für alle pädagogischen Arbeitsfelder, aber für ihre Umsetzung im außerschulischen Bereich fehlen immer noch geeignete Rahmenbedingungen.

 

 

Medienerziehung heute

 

Heute wachsen Kinder und Jugendliche in einer von Medien durchdrungenen Alltagswelt auf, in der sie sich nirgends mehr den Einwirkungen der Medien entziehen können. Schon die Kleinsten werden auf raffinierte Weise von der Medienindustrie als Zielgruppe umworben. Aber die Heranwachsenden wollen auch nicht auf die verlockenden Erfahrungs-, Unterhaltungs-, Kommunikations- und Lernmöglichkeiten der digitalen Medien verzichten und sie haben ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe. Über leicht bedienbare multifunktionale Endgeräte, Smartphones, Tablets oder Laptops können sie nicht nur auf eine Fülle faszinierender Medienangebote zugreifen, sondern auch ihre eigenen Medienwelten gestalten. Dabei agieren sie ganz selbstverständlich als Medienproduzenten und nehmen aktiv an der Kommunikation in sozialen Netzwerken, zum Beispiel mit WhatsApp, teil. Damit sind jedoch verstärkt auch Entwicklungsgefährdungen verbunden. Ursache dafür sind nicht mehr allein die Medienangebote sondern neue Formen ihres Medienhandelns im Internet, in den sozialen Netzwerken und der Zugriff Dritter auf ihre Daten im Netz.

 

 

 

Medienerziehung als zentrale Erziehungsaufgabe

 

Medienerziehung von klein auf wird daher heute zu einer zentralen und unabdingbaren Erziehungsaufgabe. Sie besteht darin, den Heranwachsenden zu helfen. Einerseits sollen sie die Erfahrungs-, Lern- und Bildungsmöglichkeiten der digitalen Medien nutzen und verantwortlich an der gesellschaftlichen Kommunikation teilnehmen. Andererseits hilft Medienerziehung dabei die Gefährdung ihrer Entwicklung zu vermeiden, um sie so auf ihre Zukunft in einer Mediengesellschaft und -kultur vorzubereiten. Infolge der Ausbreitung der Medien in alle kindlichen Lebensbereiche verschiebt sich der Schwerpunkt der Medienerziehung von Schulen auf die frühkindliche Erziehung in Familien und Kitas sowie auf die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit. Eltern, Erzieherinnen und Erzieher sowie Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen müssen erkennen, dass isolierte Medienerziehung mit Bezug auf einzelne Medien nicht mehr ausreicht. Medien sind so umfassend mit dem alltäglichen Handeln in Familie, Freundeskreis und Freizeit verwoben, dass den pädagogisch Verantwortlichen die vielfältigen Lernmöglichkeiten aber auch Entwicklungsgefährdungen, zum Beispiel durch Gewaltwirkungen oder Cybermobbing, kaum bewusst werden. Deshalb kommt es gerade darauf an, beide Aspekte der Medien sensibel wahrzunehmen und Maßnahmen der Medienerziehung bruchlos in die alltägliche Erziehung einzufügen.

 

 

Das kann gelingen, wenn Eltern und pädagogische Fachkräfte das vielgestaltige Medienhandeln der Kinder aufmerksam beobachten und ihre Medienvorlieben, Nutzungsmuster und medialen Kommunikationsformen zu verstehen suchen. Denn die Bedeutung der Medien und ihre positiven oder negativen Wirkungen hängen in erster Linie von ihrer Einbettung in die konkrete Alltagssituation der Kinder ab, von ihren sozialen Beziehungen, ihren Entwicklungsaufgaben sowie ihren Bedürfnissen, Interessen und Zielen.

 

 

 

Weitere Informationen

 

  • Hasebrink, Uwe (2014): Hans-Bredow-Institut (2014): Systematisierung der Problemlagen bei der Mediennutzung Minderjähriger: Herausforderungen für den Jugendmedienschutz. Berichte 1/14, S. 7-10
  • Keine Bildung ohne Medien. Medienpädagogischer Kongress 2011 in Berlin. München: kopaed
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2015): KIM-Studie 2015. Kinder+Medien, Internet + Computer. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6-13-Jähriger. Stuttgart
  • Spanhel, Dieter (2011). Medienerziehung. Handbuch Medienpädagogik Bd. 3. München: kopaed
  • www.keine-bildung-ohne-medien.de
  • www.mpfs.de

Prof. Dr. Dieter Spanhel, Universität Erlangen-Nürnberg im Auftrag des Initiativbüros