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Zocken was das Zeug hält - Wie „Eltern-LAN“ Gaming erfahrbar macht

Erwachsene, die am Laptop sitzen und ein digitales Spiel spielen.

In aufregende Welten eintauchen, Abenteuer erleben und gemeinsam mit anderen das nächste Level erreichen: Digitale Spiele gehören bei vielen Kindern und Jugendlichen zum Medienalltag dazu, wie auch die aktuelle JIM-Studie zeigt. Eltern und Erziehenden fällt es nicht immer leicht nachzuvollziehen, worin die Faszination an Games besteht. Genau hier setzt die von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) angebotene medienpädagogische Veranstaltungsreihe des Eltern-LAN (LAN=lokales Netzwerk in der Computertechnik) an, die sich vor allem an Eltern und pädagogische Fachkräfte richtet. Ziel ist es, einen Raum zu schaffen, in dem Erziehende eigene Spielerfahrungen sammeln und sich über die Inhalte und Wirkungen digitaler Spiele informieren, austauschen und reflektieren können. Über das Format des Eltern-LAN sprachen wir mit Matthias Thanos, der als wissenschaftlicher Referent im Fachbereich Zielgruppenspezifische Angebote der bpb tätig ist und das Projekt „Eltern-LAN“ leitet.

Was ist Eltern-LAN?

In Kooperation mit Schulen veranstaltet die bpb seit 2009 Eltern-LANs. Das sind drei- bis vierstündige Elternabende, in deren Rahmen die Teilnehmenden einen Einblick in jugendliche Medienwelten erhalten. Eine Veranstaltung, an der zwölf bis 30 Interessierte teilnehmen können, wird von zwei medienpädagogischen Fachkräften angeleitet, die in unserem bundesweiten medienpädagogischen Netzwerk aktiv sind und im Auftrag der bpb die Elternabende in Schulen durchführen.

Wie sieht eine Eltern-LAN-Veranstaltung konkret aus?

Viele Teilnehmende des Eltern-LANs haben noch keine eigenen Spielerfahrungen mit digitalen Spielen gemacht. Zudem stellen wir fest, dass es auch Eltern gibt, die Berührungsängste mit Games haben. Genau dort wollen wir ansetzen und uns gemeinsam dem Thema nähern und einen Raum für die kritische Auseinandersetzung schaffen.

Zu Beginn eines Elternabends versuchen wir erstmal einen Überblick über das Phänomen des Gamings zu vermitteln. Zentrale Fragen lauten hier: Was ist Gaming? Wer spielt digitale Spiele? Worin besteht die Faszination an digitalen Spielen? Geht es um die Reflexion über das eigene Spielverhalten, stellen viele Teilnehmende fest, dass es in ihrem Alltag doch Berührungspunkte gibt, ohne dass sie sich dessen überhaupt bewusst sind. Das fängt bei Retroklassikern, wie beispielsweise dem Computer- und Handyspiel „Snake“ an, welches in den 90er-Jahren populär war. An die Reflexion anknüpfend geben wir dann einen Überblick über die das vielfältige Angebot an Spielen, über die verschiedenen Genres und Phänomene des Gamings wie zum Beispiel Let’s Plays oder eSport-Turniere.

Anschließend starten wir dann in eine aktive und vielfältige Spielphase. Dafür stellen wir Notebooks zur Verfügung. Für den Einstieg nutzen wir zurzeit das Spiel „TrackMania“, ein Spiel, das auch von Personen ohne jegliche Spielerfahrung gespielt werden kann. Das Spiel ist mit nur vier Tasten leicht bedienbar und zugleich können die Teilnehmenden ein Gefühl für einen dreidimensionalen, virtuellen Raum bekommen. Zudem können erste Erfolgserlebnisse erfahren werden, zum Beispiel, wenn man einen Looping im Spiel schafft. Je nach individuellen Bedürfnissen und Interessen der Teilnehmenden wird dann in der Regel nach rund 15 Minuten Spielzeit ein anderes Spiel gespielt. Zu unserem Standardangebot gehören sogenannte Shooter-Spiele, in denen Spielende mithilfe verschiedener Waffen gegen feindliche Gruppen vorgehen. Hier spielen wir mit Teilnehmenden des Eltern-LANs das derzeit beliebte Spiel „Counter-Strike“ oder eine ältere Version von „Call of Duty“. Wir teilen die Spielenden in zwei Gruppen ein, die dann gegeneinander spielen. Hier ist oft ein interessanter Lerneffekt und Perspektivwechsel zu beobachten: Eltern und pädagogische Fachkräfte nehmen dadurch, dass sie selbst spielen, nicht mehr nur die Beobachterperspektive ein, sondern tauchen selbst ins Spiel ein. Oft dauert es eine Weile, sich mit Maus und Tastatur im dreidimensionalen Raum zurechtzufinden und zu bewegen. Wenn Eltern von jüngeren Kindern, die noch zur Grundschule gehen, an der Eltern-LAN teilnehmen, spielen wir entsprechend andere altersgerechte Spiele wie zum Beispiel das Abenteuerspiel „Minecraft“.

In Anschluss an die aktiven Spielphasen tauschen wir uns über die Spielerlebnisse aus, stellen die gängigen Wirktheorien von digitalen Spielen vor und lassen Raum für Themen, die die Teilnehmenden beschäftigen. Das sind oft Themen wie der Umgang mit gewaltverherrlichenden Inhalten und die Spieldauer. Aber wir sprechen auch über andere Aspekte, die im Kontext von Gaming auftauchen, so zum Beispiel über Cybergrooming, der sexuellen Kontaktanbahnung und Belästigung, die im Rahmen von Game-Chats vorkommen kann.

In einer Abschlussdiskussion geht es am Ende des Elternabends dann auch um Medienerfahrungen in der Familie. Die medienpädagogischen Fachkräfte geben nützliche Tipps an die Hand, beispielsweise, dass ein Mediennutzungsvertrag helfen kann, Regeln zur Mediennutzung aufzustellen. Zudem wird die eigene Vorbildunktion im Hinblick auf die eigene Mediennutzung reflektiert und über kreative Mediennutzung gesprochen.

Welche Möglichkeiten und Potenziale bieten Eltern-LAN-Veranstaltungen?

Unser Ziel ist es, dass Eltern und pädagogische Fachkräfte Einblicke in digitale Spielewelten erhalten und eine fundierte pädagogische Haltung entwickeln können. Es geht insbesondere darum, die Erfahrung zu machen, wie es sich anfühlt, ein digitales Spiel zu spielen und im Wettbewerb zu anderen zu stehen. Denn der Wettbewerbscharakter, den Spiele wie beispielsweise „Fortnite“, „Counter-Strike“ oder „Call of Duty“ haben, kann ein besonderer Reiz sein. Darüber hinaus bietet die Eltern-LAN-Veranstaltung Eltern und pädagogischen Fachkräften die Möglichkeit, kompetenter mit dem Thema Games umzugehen, da wir auch theoretischen Input geben und aufzeigen, wie unglaublich vielfältig das Medium Games ist. Die Mischung aus eigener Erfahrung und neuem Wissen kann einen offenen Austausch zwischen Eltern und Kindern fördern und dazu beitragen in den Dialog zu gehen.

Welche Herausforderungen für das Format des Eltern-LAN haben sich durch die Corona-Pandemie ergeben?

Aufgrund der Corona-Pandemie konnten wir das Format nicht mehr wie gewohnt als Präsenzveranstaltung durchführen. Stattdessen haben wir ein Online-Format entwickelt. Dabei haben wir uns dafür entschieden, Spiele live in einem sogenannten Let’s Plays - Videostream zu zeigen. In Let’s Play-Videos filmen sich Spielende und kommentieren dabei das Spielgeschehen. In unserem Format sind das dann Medienpädagogen, die auch selbst als Let’s Player aktiv sind. So erhalten die Teilnehmenden - auch wenn sie nicht selbst spielen können - einen Eindruck vom Spiel und können erfragen, wie zum Beispiel bestimmte Funktionen im Spiel gestaltet sind. Grundsätzlich eignen sich Let’s Plays übrigens gut, wenn Sie sich als Eltern oder Erziehende einen Überblick zu einem bestimmten Spiel verschaffen möchten: Einfach mal im Web nach einem passenden Let’s Plays suchen und sich so über ein Spiel informieren.

Was raten Sie Erziehenden, die mit gemischten Gefühlen auf das Thema digitale Spiele schauen?

Uns ist es wichtig zu betonen, dass wir mit dem Format des Eltern-LANs niemanden bekehren wollen. Also wenn jemand zum Beispiel nichts von Shooter-Spielen hält und diese auch nicht spielen möchte, dann akzeptieren wir das. Eltern, die Berührungsängste mit dem Thema Games haben, raten wir, sich drauf einzulassen und sich von ihrem Kind zeigen zu lassen, wie das Spiel funktioniert und was man damit machen kann. Im besten Fall spielen Sie als Eltern und Erziehende einfach mal mit, um das Spiel selbst zu erleben und um besser zu verstehen, warum es so spannend sein kann. Es geht also vor allem darum, dass Eltern und Kinder miteinander in Interaktion treten und Eltern ansprechbar sind und so auch wahrgenommen werden.

 

Mehr Informationen

  • Das Format des Eltern-LAN findet derzeit weiterhin nur online statt. Es ist allerdings möglich, einen Termin für das erste Quartal 2022 oder später vormerken zu lassen. Bei Interesse wenden Sie sich direkt an die bpb, deren Kontaktdaten sie auf der Webseite finden.
  • Informationen und Tipps rund um das Thema Gaming und zu digitalen Spielen gibt es auch auf spielbar.de, der Plattform der Bundeszentrale für politische Bildung.
  • Apps für Kinder empfiehlt auch klick-tipps.net, ein Angebot für Kinderangebote im Netz von jugendschutz.net.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Bettina Goerdeler, Initiativbüro "Gutes Aufwachsen mit Medien"

Quelle: Matthias Thanos, wissenschaftlicher Referent im Fachbereich Zielgruppenspezifische Angebote der Bundeszentrale für politische Bildung