Aus der Praxis: Über Körperbilder und Sexualität sprechen
Wer bin ich? Wie möchte ich sein? Wie wirke ich auf andere? Gerade junge Menschen stellen sich diese Fragen im Entwicklungsprozess. Antworten suchen sie unter anderem in digitalen Medien. „Heranwachsenden begegnen hier täglich große Mengen von Bild- und Filmmaterial, das in seiner Vielfalt Orientierung, Anregung, Verunsicherung, Leistungsdruck, Vergnügen, Bestärkung, Verstörung und vieles mehr in sich bergen kann“, sagen Esther Kuhn und Nathalie Emmer. Die beiden Medienpädagoginnen sind beim Medienprojektzentrum Offener Kanal Rhein-Main tätig und dort mit dem Praxisprojekt KörperBilder betraut. Das Projekt KörperBilder wurde in Kooperation mit pro familia entwickelt und gemeinsam durchgeführt.
Was ist das Ziel des Projektes?
„Das Projekt möchte bei den Teilnehmenden ein selbstbewusstes und selbstbestimmtes Verhältnis zwischen Medienrealität und der eigenen Identität fördern“, sagen Esther Kuhn und Nathalie Emmer. Die Medienpädagoginnen erläutern: „Vermittelt durch die Aneignung kreativer Ausdrucksformen können Reflektion, Selbstwirksamkeit und Sprachfähigkeit ebenso entfaltet werden, wie eine positive Selbstwahrnehmung.“
Worum geht es im Projekt?
„Das Projekt KörperBilder richtet sich an Jugendliche ab 14 Jahren. Es ist auf eine Weise gestaltet, die es ermöglicht ein umfassendes Verständnis für die Darstellung von Sexualität in den Medien zu bekommen. Da sich Jugendliche fortwährend zu dem Gesehenen in Beziehung setzen, soll im Projekt Raum sein, den eigenen Körper und die eigene sexuelle Identität zu reflektieren“, betonen Esther Kuhn und Nathalie Emmer.
Wie sieht die Durchführung des Projektes aus?
„Das Projekt KörperBilder setzt sich aus mehreren Modulen zusammen. In einem vierstündigen Workshop stehen zwei sexualpädagogische Fachkräfte von pro familia zur Verfügung, um den Teilnehmenden bedarfsorientiert Fragen zu allen möglichen Themen rund um Sexualität zu beantworten und Wissen zu vermitteln. Mittels von den Teilnehmenden anonym eingebrachten Medien-Bildern gehen wir gemeinsam mit den Teilnehmenden der Frage nach, inwieweit Medien die individuelle Sexualität, die eigenen Wert- und Normvorstellungen sowie das Bild über den eigenen Körper beeinflussen“, erläutern die Medienpädagoginnen.
„Anschließend folgt ein dreitägiges medienpädagogisches Filmprojekt. Dabei setzen sich die Jugendlichen kreativ und künstlerisch mit den erarbeiteten Themen und deren Bedeutung auseinander. Aus den anonym eingebrachten Bildern, mit denen bereits im Workshop mit pro familia gearbeitet wurde, entstehen Collagen, die als Stop-Motion-Filme animiert werden.“
Wie kann Medienpädagogik dazu beitragen, dass junge Menschen sich kritisch-reflektiert mit den ihnen in Medien vermittelten Idealen auseinandersetzen?
„In medienpädagogischen Projekten werden Jugendlichen Kompetenzen vermittelt, damit sie in Medien vermittelte Körper- und Schönheitsbilder kritisch reflektieren und einordnen können“, sagen Esther Kuhn und Nathalie Emmer. Sie fügen hinzu: „Dies ist insbesondere im Kontext jugendlicher Identitätsarbeit und der sexuellen Entwicklung relevant. Durch kulturelle Techniken wie die Filmproduktion, können sich Jugendliche auf kreative Art und Weise mit dem eigenen Ich und gesellschaftlichen Normen auseinandersetzen. Selbstwirksamkeit und Teilhabe können die Teilnehmenden im Projekt KörperBilder durch die kreative praktische Medienarbeit kennenlernen.“
Wie können Eltern und pädagogische Fachkräfte junge Menschen unterstützen, einen selbstbestimmten Umgang mit dem eigenen Körper zu finden?
„Indem sie als Ansprechpersonen zur Verfügung stehen und eine offene Kommunikationsatmosphäre mit den Heranwachsenden pflegen. Für eine Auseinandersetzung mit Körperbildern und sexualitätsbezogenen Themen ist es notwendig, eine Sprache zu kennen, um beispielsweise Körperteile und sexuelle Handlungen zu benennen und diese Themen zu enttabuisieren. Darüber hinaus kann es helfen Gesehenes gemeinsam zu diskutieren und einzuordnen. Ebenso kann gemeinsam nach alternativen medialen Repräsentationen gesucht werden, die gesellschaftlichen Schönheitsidealen, stereotypen Körper- und Rollenbildern etwas entgegensetzen und die Diversität der Gesellschaft aufzeigen.
Dafür ist es hilfreich die eigene Perspektive auf Körper und Sexualität sowie mögliche Schamgefühle zu reflektieren. Dazu gehört auch, sich der eigenen Sexualerziehung bewusst zu werden. Woher stammt mein Wissen über sexualitätsbezogene Themen? Welche medialen Präsentationen waren für das eigene Heranwachsen relevant?“
Weitere Informationen:
- Wie Eltern, Erziehende und pädagogische Fachkräfte bei einem selbstbestimmten Aufwachsen mit Sexualität unterstützen und wie sie mit möglichen Unsicherheiten umgehen können, erfahrt ihr in unserem Interview mit der Sozialpädagogin und Referentin für sexuelle Bildung Karoline Heyne.
- Darüber, wie junge Menschen durch Aufklärungs- und Präventionsarbeit für einen selbstbestimmten Umgang mit Sexualität in digitalen Räumen begleitet werden können, informiert unsere Online-Konferenz.
- Zum Thema Schönheitsideale im Netz können sich Jugendliche auf der Ratgeberseite von JUUUPORT, der Onlineberatungsplattform für junge Menschen, informieren.