Vielfalt und InklusionPartizipation

Wenn Oma Selfies macht – Wie Generationen voneinander lernen

Eine Familie auf dem Sofa mit digitalen Geräten in den Händen.

„Schon wieder daddelst du nur am Handy rum! Ich verstehe einfach nicht, warum du dir das überhaupt anschaust, das ist doch Blödsinn.“ Mit Unverständnis und Skepsis begegnen manche Eltern ihren Kindern, wenn es um die Nutzung digitaler Medien geht. Oft wissen sie nicht genau, was ihre Kinder online machen und worin die Faszination an Sozialen Netzwerken und digitalen Spielen besteht. „Über das, was Kinder an Medien interessiert, was sie beschäftigt und über die Perspektiven von Eltern und Großeltern sprechen wir in unseren Workshops und Veranstaltungen für Familien“, sagt Erika Bartsch, Medienpädagogin im Projekt MEiFA - Medienwelten in der Familie des Vereins Mit Medien e. V. Bildung|Beratung|Erlebnisraum, welches auch Teil des Lokalen Netzwerkes MedienLeben in Thüringen istIhr Kollege Bastian Miersch, ebenfalls als Medienpädagoge im Projekt MEiFA tätig, fügt hinzu: „Mit unserer Arbeit möchten wir das Verständnis unterschiedlicher Generationen füreinander stärken und Familien fit für einen sicheren und verantwortungsbewussten Medienumgang machen.“

Dialog auf Augenhöhe: einander verstehen

Unterschiedliche Vorerfahrungen mit Medien und Interessen in der Mediennutzung zwischen und innerhalb von Generationen bieten Anlass, um miteinander ins Gespräch zu kommen. „Unser Anspruch ist eine dialogorientierte Haltung, die den Austausch zwischen Eltern, Großeltern und jungen Menschen anregt“, betonen beide Medienpädagog*innen. „In unseren Veranstaltungen mit Eltern, Kindern und auch Großeltern lauten zentrale Fragen: Warum interessiert dich diese Plattform bzw. App? Wozu nutzt du diese? Wie funktionieren diese? Ziel ist es, einander zuzuhören und gegenseitiges Verständnis füreinander zu entwickeln. Das bedeutet als Eltern oder Großeltern, Interesse für die Lebenswelt junger Menschen aufzubringen und als Gesprächspartner*in da zu sein, um auch bei möglichen Risiken wie zum Beispiel Cybermobbing oder Cybergrooming reagieren zu können“, schildert Erika Bartsch. 

Ganz wesentlich ist für die Medienpädagogin, dass Eltern ihre Kinder befähigen, medienkompetent zu handeln. „Statt Verboten sollten Eltern mit ihren Kindern darüber sprechen, wie und wozu sie Medien nutzen können. Dazu eignet sich der Mediennutzungsvertrag, in dem Eltern und Kinder Medienregeln gemeinsam aushandeln. Hier merken wir, dass auch bei den Eltern selbst eine Reflexion über das eigene Medienhandeln einsetzt, denn der Vertrag beinhaltet Regeln für alle Familienmitglieder, also auch Eltern.“

Gemeinsam voneinander lernen

Ziel des Austauschs zwischen Generationen ist es zudem, lebenslanges, wechselseitiges Lernen anzuregen. „So erklären Enkelkinder ihren Großeltern, wie sie beispielsweise in ihren Status auf WhatsApp verändern können. Gleichzeitig können es die Großeltern sein, die ihren Enkelkindern raten, doch lieber darüber nachzudenken, was online geteilt wird. Einfach deswegen, weil sie doch eher vorsichtig sind als jüngere Generationen, die sich mit weniger Berührungsängsten im Netz bewegen und viel einfach ausprobieren“, schildert Bastian Miersch. 

Junge Menschen in ihrer Lebenswelt abholen

„Die Jugend von heute geht gar nicht mehr raus! Die hängen fast alle nur noch vor dem Bildschirm zu Hause.“ Diese Aussage hören Erika Bartsch und Bastian Miersch häufig von pädagogischen Fachkräften. Ihrer Ansicht nach ist es wichtig, dass Fachkräfte und Eltern verstehen, dass digitale Medien Teil jugendlicher Lebenswelten sind und Verständnis dafür ausbringen. „Die Entwicklung des eigenen Ichs findet heutzutage auch in Onlineräumen statt, hier probieren sich Heranwachsende aus, testen wie sie auf andere wirken und versuchen rauszufinden, wie sie sein wollen. Das gab es früher auch, nur, dass das beispielsweise das Poster des Popstars war, welches angehimmelt wurde und keine soziale Interaktion online stattfand“, erläutert Erika Bartsch. „Zudem ist es so, dass es bei uns in ländlichen Gegenden nicht viele Angebote für junge Menschen gibt, weil es dort vielfach keine Jugendclubs oder Orte für junge Menschen gibt. Jugendliche orientieren sich auch aus diesem Grund mehr an digitalen Angeboten und tauschen sich online mit Freund*innen in Sozialen Netzwerken und digitalen Spielen aus“, schildert Bastian Miersch. Er hält fest: „Entscheidend ist also, wie pädagogische Fachkräfte und Eltern Kinder und Jugendliche so unterstützen können, dass sie sicher und selbstbestimmt im Netz teilhaben und ihre Zeit gewinnbringend mit digitalen Medien nutzen können.“

Am Puls der Zeit bleiben

Herausfordernd für die intergenerationelle Medienarbeit ist auch die Schnelllebigkeit digitaler Entwicklungen. „Wir merken, dass wir selbst am Ball bleiben müssen, um zu wissen, welche Phänomene bei jungen Menschen im Trend sind und was sie beschäftigt“, sagt Bastian Miersch. „Gleichzeitig nehmen wir zum Teil eine Überforderung auf Eltern- und Großelternseite da, die zum einen mit technischen Entwicklungen, wie zum Beispiel Veränderungen in der Bedienbarkeit technischer Gräte nach Systemupdates, konfrontiert sind. Und zum anderen nicht genau wissen, wie Plattformen funktionieren und sich schwer damit tun, bestimmte digitale Trends nachzuvollziehen.“

Medienbildung gehört auch in die Schule

Nicht nur im außerschulischen Bereich und zu Hause sollten Kinder lernen, wie sie mit digitalen Medien kompetent umgehen können. „Ich bin der Ansicht, dass auch die Institution Schule einen entscheidenden Anteil an der Medienbildung nehmen muss. Sei es Medienbildung als eigenes Schulfach oder als Querschnittsthema im Unterricht zu etablieren“, betont Bastian Miersch. „Vor allem, wenn wir Schulen als Orte ansehen, die junge Menschen fit für die Arbeitswelt machen, muss die Vermittlung von Medienkompetenz in der Schule stattfinden.“

Mehr Informationen:

  • Das Onlinespiel Sherlock Phones von SCHAU HIN! Was dein Kind mit Medien macht, fördert spielerisch die Medienkompetenz von Kindern und Eltern.
  • Wie junge Menschen im Alter von zwölf bis 19 Medien nutzen, untersucht die jährlich erscheinende JIM-Studie – Jugend, Information, Medien.
  • Partizipation junger Menschen wird bei der TINCON, dem Festival für digitale Jugendkultur, groß geschrieben.