Körper, Sexualität und Identität

Zwischen Unzufriedenheit und Selbstakzeptanz: Körperbilder bei Jugendlichen

Eine junge Person, die eine Sonnenbrille aufhat und ein Selfie von sich macht.

Wir leben in einer von Selbstoptimierung geprägten Gesellschaft. Darin besteht die Annahme, dass vieles veränderbar ist, solange man sich selbst genug anstrengt. Dies gilt auch bezogen auf den eigenen Körper. Menschen mit mehr Kilos auf den Rippen wird daher mitunter unterstellt, sie würden nicht diszipliniert genug sein. Dass die Körperfülle aber auch mit anderen Gründen - zum Beispiel einer Krankheit oder erblicher Veranlagung - zu tun haben könnte, wird oft nicht hinterfragt. „Glücklicherweise gibt es aber auch Bewegungen und Projekte, die die Körpervielfalt aufzeigen und insbesondere junge Menschen darin bestärken, sich so anzunehmen, wie sie sind“, sagt Prof. Dr. Dagmar Hoffmann. Sie ist Professorin für Medien und Kommunikation sowie Gender Media Studies an der Universität Siegen. Mit ihr sprachen wir über Schönheits- und Körperbilder und deren Relevanz im Jugendalter.

Von wegen neu: Schönheits- und Körperbilder in Medien

„Sprechen wir über Körper- und Schönheitsbilder, die das Aussehen von Menschen prägen können, ist es vor allem spannend zu sehen, welche Vorstellungen noch heute existieren“, sagt Dagmar Hoffmann. Sie erläutert: „Auch in den 50er, 60er, 70er und 80er Jahren gab es bestimmte Schönheitsideale, die in Medien – vor allem im Fernsehen und in Zeitschriften – vermittelt wurden. Heutzutage hat sich das Spektrum vor allem um digitale Medien erweitert. Das bedeutet aber nicht, dass wir dem, was in Medien vermittelt wird, unmittelbar ausgesetzt sind. Im Gegenteil: Wir haben es heute mit einem weitaus differenzierterem Angebot als noch vor fünfzig Jahren zu tun, welches nicht nur ‚normschöne‘ Menschen, sondern auch eine Vielfalt an Körperbildern zeigt.“ 

Soziale Medien als Sozialisationsraum

Soziale Medien sind ein Sozialisationsraum neben vielen anderen. Gerade junge Menschen orientieren sich auch in puncto Aussehen an vermittelten Bildern in Sozialen Medien. Dagmar Hoffmann gibt zu bedenken, den Begriff Soziale Medien zu inflationär und verallgemeinernd zu benutzen, weil Social-Media-Plattformen unterschiedlich sind: „Die Apps bzw. Plattformen unterscheiden sie sich nicht nur dadurch, wer sie betreibt, sondern auch durch verschiedene Funktionsweisen, Möglichkeiten der Selbstdarstellung und der Art der Vernetzung.“ Die Wissenschaftlerin sieht in Sozialen Medien einen Erprobungsraum, in dem junge Menschen austesten können, wer sie sind und wie sie auf andere wirken. „Studien zeigen hier aber auch, dass der Großteil der Jugendlichen Soziale Medien eher rezeptiv nutzt, also Inhalte werden eher aufgenommen und weniger selbst produziert.“

Besonders bedeutend für die Entwicklung der eigenen Identität sind Soziale Medien etwa für queere junge Menschen, weil sie die Möglichkeit bieten, sich zunächst mit und in ihrer Geschlechtlichkeit wahrzunehmen und sich zu erfahren, bevor sie sich im eigenen sozialen Umfeld offenbaren. „Hier konnte festgestellt werden, dass Angebote in Sozialen Medien auch einen informativen oder beratenden Charakter haben können und jungen Menschen zur Orientierung bei der Entwicklung einer Geschlechts- und Körperidentität dienen“ 

Ist das mein Körper? – Selbstbild im Jugendalter

Wichtig ist aber grundsätzlich: Gerade junge Menschen im Alter zwischen zwölf und sechzehn Jahren setzen sich intensiv mit ihrem eigenen Körper und ihrer Geschlechtlichkeit auseinander. „Das haben Jugendliche schon immer getan und tun es auch heute noch. Per se ist es in diesem Alter so, dass die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper von vielen Faktoren abhängt und nicht unbedingt hoch ist. Und nicht nur, weil es Social-Media-Plattformen gibt, sondern aufgrund der Tatsache, dass sich der Körper verändert und erst bewohnt werden muss“ sagt Dagmar Hoffmann. „Das ist eine aufregende Zeit, die mit vielen Ungewissheiten verbunden ist, in der man von himmelhochjauchzend bis hin zu Tode betrübt sein kann, Barthaare oder Brüste wachsen und es darum geht, herauszufinden, wer man ist und wer man sein will. Besonders die Rückmeldung der eigenen Peer-Gruppe ist für Jugendliche bedeutsam. Sie hat maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten, auf Einstellungen, die Sprache oder auch die Wahl der Kleidung.“

Mit Medienpädagogik zur Reflexionskompetenz

Medienpädagogische Projekte können dazu beitragen, sich mit dem eigenen Verhalten und Vorstellungen zu Körper- und Schönheitsbildern auseinanderzusetzen. „Es geht dabei darum, das eigene Medienhandeln zu betrachten und eine Reflexionskompetenz zu entwickeln: Warum interessieren mich bestimmte Inhalte? Warum folge ich bestimmten Menschen auf Instagram oder TikTok? Inwiefern kann ich darauf einwirken, was mir angezeigt wird? Das gilt es zu hinterfragen.“

Der Einfluss von Eltern: Vorbilder für junge Menschen

Eine zentrale Rolle im Prozess um die Wahrnehmung des eigenen Körpers haben auch die Eltern. „Kinder orientieren sich an dem, was Eltern ihnen vorleben. So können die Einstellungen der Eltern zu ihrem Körper auch die der Kinder prägen. Insofern ist es wichtig, selbst ein Vorbild zu sein und ein positives Körpergefühl zu vermitteln. Um zu erfahren, warum eine App zum Beispiel besonders spannend für das eigene Kind ist, ist es bedeutsam, in den Austausch zu gehen und gemeinsam mit den Kindern darüber zu sprechen, was sie gerade warum und wie intensiv beschäftigt“, sagt Dagmar Hoffmann. 

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