Games als Türöffner für Demokratiebildung
Trocken, langweilig und zu wenig an der Lebenswelt junger Menschen orientiert. Jugendliche fühlen sich von politischen Themen oft nicht angesprochen, wenn sie im Unterricht als abstrakte Theorie daherkommen. Wie sich das ändern lässt, zeigen Games, die im Unterschied zu klassischen Bildungsformaten zum aktiven Handeln statt Zuschauen auffordern. Ob in einem diplomatischen Strategiespiel oder in einem Abenteuer mit historischem Kontext – Games haben das Potenzial, komplexe Sachverhalte spielerisch erfahrbar zu machen. So können sich Kinder und Jugendliche intrinsisch motiviert, selbstgesteuert, explorativ und emotional involviert mit gesellschaftlichen Fragen und demokratischen Prozessen auseinandersetzen. Zudem ermöglichen Games, andere Perspektiven einzunehmen und Beweggründe für Handlungen, Emotionen sowie gesellschaftlich verankerte Machtstrukturen nachzuvollziehen.
Unterschieden werden kann zwischen zwei Spielarten:
Serious Games verfolgen Lern- oder Bildungsziele. Im Sinne der Demokratiebildung können Spieler*innen komplexe demokratische Themen und gesellschaftliche Herausforderungen spielerisch erleben und reflektieren, wie es zum Beispiel im Abenteuerspiel Krypto Kids und das geheime Netzwerk für Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 14 Jahren möglich ist.
Bei Entertainment-Games werden für Bildungsprozesse relevante Aspekte – etwa historische Authentizität oder Didaktik – häufig dem Unterhaltungswert untergeordnet. Doch auch sie eröffnen spannende Potenziale für die Demokratiebildung. Viele dieser Games vermitteln implizit Werte, Weltbilder und gesellschaftliche Normen, greifen historische Settings auf oder thematisieren ethische Fragestellungen zur Gesellschaft. Um diese Lernpotenziale nutzbar zu machen, bedarf es jedoch pädagogischer Rahmung und Konzepte. Das vom Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen geförderte Projekt Schule mit Games gestalten NRW – Demokratie und Teilhabe spielend fördern setzt genau hier an und integriert digitale Spiele in den Unterricht zu den Themen Demokratie und Inklusion.
Gaming-Communities und demokratische Prozesse
Neben den Spielen selbst können Gaming-Communities als Proberäume für Identitätsarbeit, gesellschaftliches Handeln und demokratische Prozesse fungieren. Gerade das gemeinsame Spiel stellt hohe Anforderungen an Kommunikation, Kooperation, Teamfähigkeit und Akzeptanz. Das Bilden von Gemeinschaften ist dabei nicht nur üblich, sondern häufig ein zentraler Bestandteil des Gameplays. In diesem Kontext entstehen für die Demokratiebildung spannende Aushandlungsprozesse, wie die beiden Jugendredakteur*innen Max und Aras vom CtrL-Blog.de im Interview berichten.
Allerdings sind viele populäre Games und Plattformen nicht ausreichend sicher, sodass ein Kontakt zu demokratiefeindlichen Akteur*innen möglich ist. Heranwachsende in vermeintlich unbedenklichen Gaming-Communities gehören zu wichtigen Zielgruppen extremistischer Radikalisierungsversuche, wie unter anderem das Handbuch Gaming und Rechtsextremismus der bpb zeigt. Vorsorgemaßnahmen nach § 24a JuSchG können helfen, Risiken präventiv zu reduzieren. Dennoch müssen Kinder und Jugendliche befähigt werden, sich eigenständig zu schützen und eine klare Haltung für demokratische Werte innerhalb dieser Communities einzunehmen.
Gamespädagogik als Chance für die Demokratiebildung
Um Kinder und Jugendliche zu einer mündigen Teilhabe an einer demokratischen Gesellschaft sowie zu einem kritischen Umgang mit Spielerlebnissen zu befähigen, können gamespädagogische Angebote ein wirksamer Baustein sein. Wenn Fachkräfte Interesse zeigen und eine klare Haltung einnehmen, entsteht ein Resonanzraum, in dem auch demokratische Themen verhandelt werden können. Gesprächsanlässe bietet das Medium in Hülle und Fülle – von moralischen Entscheidungen über Aushandlungsprozesse in Communities bis hin zu Erfahrungen mit demokratiefeindlichen Kontakten. Dabei müssen Fachkräfte keine Gaming-Profis sein: Die Jugendlichen selbst verfügen über hohe Expertise und großes Gesprächsbedürfnis – und erfahrungsgemäß freuen sie sich, wenn ihre Perspektiven eingebunden werden.
Diese Erfahrungen zeigen sich in pädagogisch betreuten Spieletest-Gruppen des vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekts Digitale Spiele pädagogisch beurteilt, das in Kooperation zwischen der Stadt Köln und dem Spieleratgeber-NRW durchgeführt wird. Hier sind Kinder und Jugendliche die Expert*innen: Sie erklären Eltern und Fachkräften ihre Games, heben Angebote mit Mehrwert hervor und setzen sich mit demokratischen Strukturen in Communities sowie mit den „Spielregeln“ des Online-Gamings auseinander.
Mit solchen lebensweltorientierten Ansätzen erreicht man auch diejenigen, die klassischen Angeboten der Demokratiebildung fernbleiben oder innerfamiliär wenig Förderung erfahren. In einer Gesellschaft, in der demokratische Systeme zunehmend infrage gestellt werden, sind implizite Bildungsangebote als Türöffner für einen gemeinsamen, werteorientierten Dialog umso wichtiger.
Autor: Daniel Heinz, Fachbereitsleiter Games, Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW