Medienerziehung

  • Interview

Kreativ, spielerisch und digital: Wie Bibliotheken frühkindliche Medienbildung durch entdeckendes Lernen gestalten können

Kleine Lernroboter, die auf einer glatten Oberfläche stehen.

Ob Smartphone, Laptop, Tablet oder Sprachassistent: Schon die Jüngsten wachsen mit einem breiten Medienrepertoire auf, wie die aktuelle miniKIM-Studie zeigt. Daher ist es als Eltern und Erziehende wichtig, Kinder von Anfang an bei einem guten Aufwachsen mit Medien zu unterstützen und aktiv zu begleiten. Auch Bibliotheken können dazu beitragen, Kinder zu befähigen, selbstbestimmt, sicher und kompetent digital teilzuhaben. Wie das geht zeigt die Stadtbücherei Frankfurt am Main, die Teil des Lokalen Netzwerkes „Arbeitskreis Medien Rhein Main“ ist. Sie bietet verschiedene medienpädagogische Angebote an, die Kindern einen kreativen und spielerischen Zugang in der Auseinandersetzung mit digitalen Medien ermöglichen. „In meiner Arbeit als Bibliothekspädagogin in der Stadtbücherei Frankfurt geht es mir darum aufzuzeigen, dass digitale Medien vor allem als Werkzeug zum Produzieren eigener Inhalte und Ideen wahrgenommen werden“, schildert Tanja Schmidt. Sie arbeitet unter anderem an der Entwicklung und Erstellung von Konzepten und Angeboten im Bereich frühkindlicher Medienbildung mit und ist Mitinitiatorin des Programms „#iPÄD“ der Stadtbücherei Frankfurt am Main.

Wie frühkindliche Medienbildung gelingen kann

Eine entscheidende Voraussetzung für die Umsetzung medienpädagogischer Konzepte in Bibliotheken ist es, ein gemeinsames Grundverständnis bei den Mitarbeitenden der Einrichtung zu schaffen. „Ich finde es in diesem Zusammenhang sehr wichtig, anzuerkennen, dass digitale Medien Teil der Kinder- und Jugendkultur sind. Und wir haben als öffentliche Einrichtung auch den Bildungsauftrag, Kinder spielerisch und kreativ an einen bewussten und souveränen Umgang mit digitalen Medien heranzuführen“, sagt Tanja Schmidt. Das bedeutet das Medium selbst zu entdecken, auszuprobieren und zu lernen, wie technische Geräte funktionieren.

Für die Umsetzung medienpädagogischer Angebote in der Bibliothek hält Tanja Schmidt es zudem für bedeutend, Erfahrungen mit der Zielgruppe – hier also mit Kindern – zu haben. Dazu zählt, sich mit der Kinderkultur von heute auseinanderzusetzen und Konzepte zu entwickeln, die daran anknüpfen.

Darüber hinaus ist es gerade im Bereich frühkindlicher Medienbildung wichtig, die Eltern von Kleinkindern mit in die Gestaltung und Durchführung von Bibliotheksangeboten einzubeziehen. „Wir achten darauf, dass wir auch Veranstaltungen und Programme anbieten, bei denen Eltern gemeinsam mit ihren Kindern digitale Medien ausprobieren und erleben können. Hier arbeiten wir insbesondere im frühkindlichen Bereich mit Geschichten. Das Entdecken von Tablet und Apps ist also eingebunden in eine Rahmengeschichte, die der Veranstaltung eine Dramaturgie gibt. So können Familien das Tablet vielleicht nochmal ganz anders entdecken, als es bisher im Familienalltag eingesetzt wurde – nämlich gemeinsam kreativ“, erläutert Tanja Schmidt.

Medienpädagogische Angebote in der Stadtbücherei Frankfurt am Main

In der Stadtbücherei Frankfurt am Main gibt es seit 2015 das Programm „#iPÄD“, welches insgesamt 30 Konzepte für verschiedene Altersstufen im Alter zwischen zwei und 16 Jahren umfasst und sich an Kitagruppen und Schulklassen richtet. Jedes Konzept, das Angaben zu den benötigten Materialien, zur Vorbereitung und zur Durchführung macht, schlägt die Nutzung bestimmter Apps vor, mit der Heranwachsende sich spielerisch und kreativ mit unterschiedlichen Themen und Medien auseinandersetzen können, das Tablet als Produktionsmittel kennenlernen und die Bibliothek als Ort der Teilhabe zu nutzen. Zum Beispiel können Kinder digitale Bücher erstellen, Musik komponieren, ungewöhnliche Fotos machen und Filmprojekte vor dem Greenscreen entwickeln. Im frühkindlichen Bereich, für die Altersgruppe der Zwei-- bis Vierjährigen regen die Angebote „Bibliotheksspaß mit Fiete“ und „Hallo Hut-Affe“ mit kindgerechten Apps dazu an, auf Entdeckungsreise zu gehen, eigene Geschichten zu erfinden und motivieren zum Mitmachen und Sprechen. „Im Vordergrund steht das spielende Lernen durch das eigene Entdecken und Ausprobieren. Zugleich geht es uns darum, Wissen zu vermitteln und kulturelle Teilhabe sowie soziale Kompetenzen zu fördern. So sind die Konzepte bewusst so angelegt, dass Teamarbeit im Vordergrund steht. Kinder überlegen gemeinsam, tauschen sich aus und probieren zusammen aus“, schildert Tanja Schmidt.

Auch im Bereich Robotics & Coding bietet die Stadtbücherei Frankfurt unterschiedliche Formate an, die sich an verschiedene Zielgruppen, auch an die Jüngsten, richten. Im Programm „Hands on! Robotics-Lab“ lernen Kinder ab fünf Jahren verschiedene Lernroboter – darunter Dash, Ozobot Evo, Sphero Bolt und Thymio – kennen. Ohne das Vorkenntnisse notwendig sind, können Kinder die Roboter programmieren und austesten.

Im Programm „Bin ich ein Roboter? Coding-Spaß mit Ozobot Evo“, welches die Stadtbücherei Frankfurt in Kooperation mit dem Kitabildungsnetz in Frankfurt durchführt, werden Kitagruppen spielerisch an das Thema Programmieren herangeführt. „Gemeinsam mit den Kindern erarbeiten wir im Programm, was ein Roboter ist, welche Unterschiede zum Menschen bestehen und finden heraus, wie ein Roboter programmiert werden kann, damit er bestimmte Dinge macht“, erklärt Tanja Schmidt. Dafür werden zunächst analog spielerische Übungen mit den Kindern gespielt. Im Spiel „Der menschliche Roboter“, bei dem Kinder durch Aufforderungen wie beispielsweise „Heb deinen linken Arm“ eine Person „programmieren“, geht es darum, zu veranschaulichen, dass jede einzelne Bewegung bei einem Roboter durch einen Befehl ausgelöst wird. Im zweiten Teil des Programms erfahren die Kinder, wie sie Ozobots, kleine Roboter, mit gemalten Farbcodes steuern können. „Es geht uns hier darum, dass Kinder selbstbestimmt ausprobieren und entdecken, wie sie mit ihren Zeichnungen die Roboter steuern können. Wir begleiten als Unterstützungspersonen, lassen den Kindern aber den Raum, um selbst auszutesten und zu experimentieren. Wir beobachten hier, dass das Kindern sehr viel Spaß macht und auch von den begleitenden Erzieher:innen bekommen wir positive Rückmeldungen zu unserem Angebot.“

Um die spielerische Auseinandersetzung mit zukunftsrelevanten Themen wie Umweltschutz und das Kennenlernen einfacher Programmierbefehle geht es außerdem im Projekt „ Robo-Insekten for future!“ , das im Programm „Total digital!“ gefördert wurde. Mit Papier und Stift können Kinder von fünf bis sechs Jahren Roboter zu sogenannten „Robo-Insekten“ verwandeln und anschließend selbst programmieren.

Chancen und Herausforderungen frühkindlicher Medienbildung

Tanja Schmidt sieht eine enge, pädagogische Begleitung bei der Mediennutzung von Anfang an als entscheidend an, damit Kinder gute Chancen haben gesellschaftlich teilzuhaben. „Genauso wie es relevant ist, dass Kinder durch das Lesen von Büchern Lesekompetenzen erwerben, gehört es in der heutigen Zeit dazu, dass sie lernen, kreativ und sicher mit digitalen Medien umzugehen. Das versuchen wir mit unseren medienpädagogischen Angeboten zu erreichen.“ Natürlich gibt es auch immer wieder Eltern und Erziehende, die nicht immer sofort von dem Nutzen einer frühen Mediennutzung überzeugt sind. „Hier ist uns wichtig, erwachsene Bezugspersonen von Kindern in unsere Medienarbeit einzubeziehen und aufzuzeigen, dass digitale Medien als Werkzeug zu kreativen Zwecken, nach dem Motto „Produzieren statt Konsumieren“ eingesetzt werden können. Zudem finden wir es maßgeblich, einen offenen Dialog und Austausch mit Eltern und Erziehenden zu fördern.“

Weitere Informationen:

  • Wie Kitas und Erziehende in Grundschulen Kindern spielerisch das Thema Programmieren nahebringen können, zeigt das Praxisbeispiel „Coding mit Kindern“ des Projektes „Ran an Maus & Tablet“ der Hessischen Landesmedienanstalt.
  • Wie eine aktive, kreative Audioarbeit aussehen kann, zeigen die Projekte „Ohrenspitzer“ und „Auditorix“.
  • Anregungen für die Durchführung kreativer medienpädagogischer Projekte gibt die Methodensammlung der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK).