• Interview

Kreativität, Faszination und Entdeckerfreude: Im Gespräch mit einem jungen KI-Enthusiasten

Eine Person, die in die Kamera schaut.

Politische Einstellungen aus Tweets herauslesen. Auch wenn sich die Beiträge auf der Plattform Twitter gar nicht auf politische Themen beziehen. Das kann eine Künstliche Intelligenz (KI) namens „Chirpanalytica“ (Englisch chirp = zwitschern), ein Wahl-O-Mat für Twitterkonten. Entwickelt hat sie der 20-jährige KI-Enthusiast Paul Goldschmidt, der sein Projekt beim Finale des Bundeswettbewerbs Künstliche Intelligenz im Jahr 2021 vorstellte. „Die Idee zu 'Chirpanalytica' ist aus meinem Interesse an Politik und Künstlicher Intelligenz entstanden. Um die KI zu trainieren, haben wir über 1000 Tweets von Politiker:innen der Parteien, die zur Bundestagswahl 2021 angetreten sind, verwendet. Am Ende des Trainings konnte die KI Tweets einem politischen Spektrum zuordnen.“

Wir sprachen mit Paul über seine Faszination für KI, darüber, was sich im Bildungsbereich ändern muss, damit alle jungen Menschen von KI profitieren können, warum er sich eine Freundschaft zu einem Roboter nicht vorstellen kann und wie seine Vision mit KI aussieht.

Faszination KI

Von selbstfahrenden Autos, Musikempfehlungen, Ideen für Kochrezepte, Chatbots bis hin zu KI-Anwendungen im Gesundheitsbereich: KI ist ein breites Themenfeld, welches die Auseinandersetzung mit einem oder mehreren spezifischen Themen ermöglicht. „Genau das finde ich so spannend, insbesondere interessieren mich technische Aspekte und mit KI verbundene moralische Fragen. Was mich zurzeit durch mein Engagement im Landesschülerbeirat Baden-Württembergs viel beschäftigt, ist die Frage um den Einsatz von ChatGPT in Schulen“, schildert Paul Goldschmidt.

KI aktiv im Bildungsbereich einbinden

Eine aktive Einbindung von KI in Schulen und in außerschulischen Einrichtungen hält Paul Goldschmidt für wesentlich, damit schon früh ein Grundverständnis für das Thema geschaffen wird. „Das fängt schon bei der Aufgabenstellung im Unterricht an. Hier kann es zum Beispiel Teil der Aufgabe sein, eine KI-Anwendung wie ChatGPT, zu nutzen. Das bietet dann wiederum Anlass, sich auch kritisch mit verbundenen Fragen und Aspekten von KI auseinanderzusetzen. Zugleich denke ich, dass junge Menschen mit einer soliden Basis an Medienkompetenz gut gerüstet sind für ihre Ausbildung und ihr späteres Berufsleben.“

Besonders wichtig ist Paul Goldschmidt außerdem, dass junge Menschen gleiche Startvoraussetzungen und Chancen haben – unabhängig von ihrer Herkunft: „Es kann nicht sein, dass sich Menschen, die das nötige Geld haben, bessere Versionen von KI-Anwendungen, wie zum Beispiel Chatbots oder Bildgeneratoren, leisten können, als andere. Am besten wäre es also, wenn Schulen und andere Bildungseinrichtungen  einen Zugang für alle ermöglichen.“

Eine besondere Herausforderung, die Paul Goldschmidt in seinem Austausch mit Lehrkräften wahrnimmt, sind die Sorgen und Ängste, wenn es um das Thema KI geht. „Konkret würde ich mir hier wünschen, dass es einen Leitfaden für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte gibt, der ihnen Hilfestellung gibt und sie befähigt, KI zu vermitteln.“

Chancen und Herausforderungen Künstlicher Intelligenz

„Eine Chance, die ich in KI sehe, ist das Übernehmen von Aufgaben, die repetitiv und zeitintensiv sein können. Dabei denke ich zum Beispiel an das Erstellen eines Protokolls einer Veranstaltung. So könnten bestimmte Berufe in dem Sinne vielfältiger und anspruchsvoller werden, weil mehr Zeit für kreative Aufgaben entsteht, denen wir uns widmen können.“ Das bedeutet nicht, dass KI Menschen komplett ersetzen soll, sondern sinnvoll und produktiv in einzelnen Bereichen zum Einsatz kommt.

Herausfordernd bewertet Paul Goldschmidt den Umgang mit rechtlichen und ethischen Fragen, die mit KI entstehen. „Wie wollen wir als Gesellschaft mit KI umgehen? Welche Regeln wollen wir im Umgang mit KI etablieren? Wie soll das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine definiert und geregelt sein? Wer kann zur Rechenschaft gezogen werden, wenn ein selbstfahrendes Auto einen Unfall baut? Zu all diesen Fragen brauchen wir jetzt – und nicht erst in fünf Jahren – einen gesamtgesellschaftlich geführten Diskurs.“

„Zugleich denke ich, dass es sehr wichtig ist, KI nicht immer nur als Gegner zu betrachten, sondern einen ganzheitlichen Blick darauf werfen, wenn wir uns fragen, wie wir damit umgehen wollen. Dafür muss auch ein Minimum an technischem Verständnis geschaffen werden, damit KI nicht fälschlicherweise als etwas Übermächtiges verstanden wird.“

Eine Freundschaft mit KI?

Einen Vorteil in KI sieht Paul Goldschmidt darin, dass sie partiell auch an Stellen eingesetzt werden kann, um gegen Einsamkeit und Langeweile zu helfen. So gibt es zum Beispiel in Pflegeheimen Pilotprojekte, in denen Roboter zum Einsatz kommen, um Pflegekräfte zu unterstützen. „Eine Freundschaft mit einem Roboter kann ich mir aber nicht vorstellen, es gibt schließlich einen erheblichen Unterschied zwischen einem organischen Menschen und einer Maschine, die etwas simuliert. Hier ist es auch aus meiner Sicht wichtig, sich nochmal zu vergegenwärtigen, dass wir es mit einer Maschine zu tun haben, die keine menschlichen Emotionen besitzt, sondern funktioniert, weil sie mittels Datenauswertung und Sensoren auf ihre Umgebung reagieren.“

Vision einer Zukunft mit KI

„Meine Vision von einer Zukunft mit KI ist, dass alle den gleichen Zugang zu KI haben, KI fair und gerecht verteilt ist, sodass es nicht zu einer Spaltung in der Gesellschaft kommt. Und dass KI keine Blackbox darstellt, sondern wir den Prozess von Input zu Output transparent nachvollziehen können“, betont Paul Goldschmidt.

Mehr Informationen:

  • Der Dieter Baacke Preis, der medienpädagogische Projekte und Methoden aktiver Medienarbeit auszeichnet, vergibt dieses Jahr einen Sonderpreis zum Thema „KI und wir – gruselig und genial“. Außerschulische oder in Kooperation mit Schulen tätige Projekte können sich noch bis zum 31. Juli um den Dieter Baacke Preis bewerben.
  • Sein Wissen rund um Künstliche Intelligenz kann man im Quiz des Zentrums für vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz testen.
  • Tipps, um KI in den Unterricht einzubinden, gibt die Bundeszentrale für politische Bildung in diesem Video.