• Interview

Hate Speech vs. Humor: Wie Gegenrede mit Witz empowern kann

Personen, die an einem Tisch sitzen und an einem Bingospiel teilnehmen.

Humor kann wie so oft im Leben eine gute Bewältigungsstrategie sein. Wieso dies nicht auch beim Thema Hassrede nutzen? Diesen Gedanken nahm die Münchener Medienpädagogin Rosa Kindl in ihrem Konzept für ein Angebot an queere Jugendliche auf, die besonders häufig von Hate Speech in Sozialen Medien betroffen sind. Hier schildert sie ihren Ansatz und ihre Erfahrungen aus dem Projekt „Hate Speech vs. Humor“, das sie in Kooperation mit dem Münchener Verein diversity e.V. umgesetzt hat.

Aufklärung und Selbstschutz

„Bei der Konzeption des Workshops war uns wichtig, möglichst viele Aspekte von Hate Speech in den Sozialen Medien abzudecken und dabei sowohl den privaten als auch den gesellschaftlichen Kontext anzusehen,“ berichtet Rosa Kindl. Nach einem Einstieg mit kurzen theoretischen Inputs folgte eine ausführliche partizipative Diskussion mit den Teilnehmenden des Angebots. Dabei beschäftigte sich die Gruppe u. a. mit der Frage, unter welchen Umständen Counter Speech, also Gegenrede, erforderlich ist, und wann man besser ignoriert - mit Blick auf die eigene mentale Gesundheit.
„Verschiedene gesellschaftliche Aspekte wurden ebenso besprochen, so unter anderem Phänomene wie „Trollfabriken“[1], aber auch, wie aussichtsreich eine Strafanzeige ist,“ reflektiert die Medienpädagogin. „Dennoch war uns wichtig, die Jugendlichen über strafrechtlich relevante Tatbestände aufzuklären und Meldestellen an die Hand zu geben.“

Humor als Waffe: Methoden für den kreativen Einsatz

Wie effektiv Humor als Gegenrede sein kann, wurde den Teilnehmenden anhand von Beispielen aufgezeigt: Der Twitter-Schlagabtausch zwischen dem frauenfeindlichen Influencer Andrew Tate und der Klimaaktivistin Greta Thunberg beispielsweise zeigt auf, dass Thunbergs witzige Antwort auf Tates „Angriff“ deutlich öfter geteilt wurde als die ursprüngliche Nachricht – und somit wurde er der Lächerlichkeit preisgegeben. Im Rahmen des Workshops konnten die Teilnehmenden selbst kreativ werden und anhand eines Meme-Generators eigene Counter Speech-Memes erstellen.

Wie Sarkasmus eine persönliche Strategie sein kann, sich von Hassrede emotional zu distanzieren, wurde mit der Methode „Bullshit-Bingo“ aufgezeigt. Eine Bingo-Vorlage wurde mit Aussagen, mit denen die Jugendlichen regelmäßig konfrontiert werden und die sich auf ihre Queerness beziehen, ergänzt. Anschließend wurden die Aussagen zu lustiger Musik vorgelesen und die Gruppenmitglieder konnten sie in „Bingo-Manier“ durchstreichen, bis eine*r „Bingo“ rief. „Dieses Spiel sorgte für Heiterkeit, obwohl der Inhalt an sich eigentlich nicht heiter ist,“ erinnert sich Rosa Kindl.

Grenzen von Humor und Lerneffekte

In der Diskussion mit den Teilnehmenden zeigten sich aber auch die Grenzen und Herausforderungen von Ironie und Sarkasmus bzw. ob und wie eine Kennzeichnung solcher humorvollen Kommentare funktionieren kann. Anlass war ein Meme, das während der Corona-Zeit einen Shitstorm auslöste, woraufhin sich der veröffentlichende Kanal entschuldigen musste. „Die Frage ist immer, auf wessen Kosten der Witz geht, und ob das klar zu erkennen ist.“ konstatiert die Projektleiterin Kindl.

„Ein Aspekt, der uns überrascht hat, war, dass die Vorstellung mit Pronomen auch in einem geschützten Raum wie dieser Gruppe bei Weitem nicht mit so viel Selbstbewusstsein angegangen wurde, wie wir erwarteten. Ich habe daraus gelernt, in Zukunft den Umgang mit diesem Thema beim Kooperationspartner im Vorfeld abzuklären und mit mehr Fingerspitzengefühl vorzugehen. Außerdem werde ich explizit darum bitten, mich darauf hinzuweisen, wenn mir aus Versehen ein Misgendern unterläuft.“

Anlaufstellen für Betroffene von Hassrede

  • Hass im Netz: Beiträge melden, die Hass und Hetze enthalten.
  • HateAid: Beratung und Unterstützung für Betroffene von Diskriminierungen und digitaler Gewalt.
  • jugendschutz.net: Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet. Verstöße gegen den Jugendschutz können bei jugendschutz.net gemeldet werden.
  • JUUUPORT: bundesweite Online-Beratungsplattform, bei der junge Menschen Gleichaltrige bei Online-Herausforderungen beraten.
  • Nummer gegen Kummer: Beratung und Hilfe für Menschen mit Problemen, Sorgen bei Alltagsproblemen und in schwierigen Situationen
  • KiDs – Kinder vor Diskriminierung schützen!: Beratung und Begleitung von Kindern, die Diskriminierung erfahren. Das Beratungsangebot richtet sich auch an pädagogische Fachkräfte und Eltern, die in der Verantwortung stehen, Kinder vor Diskriminierung zu schützen.
  • GLADT e.V.  Selbstorganisation von Schwarzen und of Color Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und Queeren Menschen. Beratungsangebote für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind.

 


[1] In den sogenannten „Troll-Fabriken“ werden systematisch falsche Informationen – also Fake News produziert.