• Interview

Digitale Zivilcourage: Wie das Projekt AMeLiE Lehrkräfte und Schüler*innen fit für den Umgang mit Hass im Netz macht

Ein bunter Stift unter dem "Advanced Media Literacy to counter Online Hate Speech steht"

Ob in Sozialen Netzwerken, Messenger-Diensten oder in Foren: Gerade im Netz gibt es Beleidigungen, Verurteilungen und Hass. Mit dem vermeintlichen Gefühl der Anonymität, welches der digitale Raum vermittelt, sinkt die Hemmschwelle Hass zu verbreiten. Das Gegenüber wird weniger als Mensch wahrgenommen. Hassrede – oft auch mit dem englischen Begriff „Hate Speech“ bezeichnet – meint menschenverachtende und abwertende Aussagen in Form von Worten oder Bildern gegenüber einzelnen Menschen oder Personengruppen. Hate Speech tritt oft in Zusammenhang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Erscheinung: Menschen werden aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe abgelehnt, abgewertet und ausgegrenzt. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit äußert sich unter anderem durch Sexismus, Rassismus, Transfeindlichkeit und Antisemitismus. Eine aktuelle Umfrage der Landesanstalt für Medien zeigt, dass Hass im Netz nicht alle Menschen gleichermaßen trifft, sondern insbesondere unter 25-Jährige mit Hassrede konfrontiert werden. Die Befragten der Studie gaben zudem an, dass sie Hass am meisten bei Personen des öffentlichen Lebens, wie Politiker*innen, Menschen mit anderer politischer Einstellung, Geflüchteten und LSBTIQ*-Personen wahrnehmen.

Mit welchen Ansätzen Lehrkräfte an Schulen das Thema Hass im Netz im Unterricht aufgreifen können und wie sie Schüler*innen im Umgang mit Hate Speech fit machen können, zeigt das Erasmus+ geförderte europäische Projekt „Advanced Media Literacy Education to counter online hate-speech“, kurz AMeLiE, welches von 2020 bis 2023 durchgeführt wurde. Über das Projekt sprachen wir mit Laura Hänsch, die das Projekt in Deutschland umgesetzt hat und in der Stiftung Digitale Chancen tätig ist.

Das Projekt AMeLiE

„Ziel des Projektes AMeLiE war es, pädagogische Fachkräfte, insbesondere Lehrkräfte, über Hass im Netz aufzuklären, sie für das Thema zu sensibilisieren und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie im Unterricht einsetzen können. Auf diesem Weg sollten dann in Schulen junge Menschen erreicht werden, um sie darin zu unterstützen zu lernen, was Hass ist, wo und in welchen Formen Hass auftaucht und wie sie damit umgehen und sich davor schützen können. Dabei haben wir jegliche Form von Hass thematisiert – auch die Grenzen zu anderen Online-Herausforderungen wie Mobbing oder ‚Fake News‘ (Englisch = Falschnachrichten) sind dabei oft fließend. Zum Beispiel ist an Schulen Cybermobbing in Verbindung mit Hassrede ein großes Thema, insbesondere in Klassenchats. Uns ging es im Projekt schließlich übergreifend darum, für inklusive Sprache und einen respektvollen und toleranten Umgang miteinander – sowie on- als auch offline – zu sensibilisieren und zu vermitteln, dass ein kritischer und reflektierter Umgang mit Medien wichtig ist, um selbstbestimmt digital teilzuhaben.“, sagt Laura Hänsch. Koordiniert wurde das Projekt von der italienischen Organisation European Grants International Academy (EGInA), eingebunden in das Projekt waren weitere Parteiorganisationen aus Italien, Rumänien, Belgien, Griechenland und Deutschland.

Lernen durch eine interaktive Lernplattform

Im AMeLiE-Projekt entwickelt wurde eine interaktive Lernplattform, die allen interessierten pädagogisch tätigen Personen an Schulen und im außerschulischen Bereich kostenfrei zur Verfügung steht. In fünf verschiedenen Sprachen – Deutsch, Englisch, Italienisch, Griechisch und Rumänisch – finden pädagogische Fachkräfte Lern- und Unterrichtsmaterialien wie Arbeitsblätter, Online-Seminare, Beispiele aus der Praxis sowie weiterführende Informationen, Tipps und Links rund um das Thema Hate Speech. Die Arbeitsmaterialien sind grundsätzlich flexibel einsetzbar und können so für eigene Zwecke angepasst werden. Die Materialien sind für verschiedene Altersgruppen im Alter von drei bis sechs, sechs bis zehn, zehn bis 14 und 14 bis 18 Jahren konzipiert. Der Aufbau der Materialien ist einheitlich strukturiert, d. h. mit Thema, Lernzielen und Angaben für welche Unterrichtsfächer sie angewendet werden können. So finden pädagogische Fachkräfte zu verschiedenen Themen kreative und innovative Ansätze, um diese in ihrer pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aufzugreifen.

Grundlage für die im Projekt entwickelten Arbeitsmaterialien bildet das sogenannte „Manifest der nicht-feinseligen Rede“ aus dem Projekt „Parole Ostili“ aus Italien. Das Manifest enthält 10 grundlegende Prinzipien und Empfehlungen für einen respektvollen Umgang miteinander, unabhängig davon, ob online oder offline. „Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass geschriebene oder gesprochene Worte im digitalen Raum die gleichen Konsequenzen haben und sie eine echte Person treffen. Also genauso verletzen, beleidigen oder ausgrenzen können wie im Offlineraum“, betont Laura Hänsch.

Ein Forum innerhalb der Lernplattform bietet zudem die Möglichkeit, sich mit anderen Pädagog*innen auszutauschen, gemeinsam Initiativen zu organisieren, sich Rat und Inspiration zu holen sowie mit- und voneinander zu lernen. Darüber hinaus können pädagogische Fachkräfte auf der Plattform eigene Ideen und eigenes Wissen, zum Beispiel in Form von Arbeitsblättern, einbringen und auf der Plattform veröffentlichen.

Außerdem gibt es auf der Lernplattform Dokumentationen der „Kind Speech Days“, die im Rahmen des Projektes an Partnerschulen in Europa durchgeführt wurden.

Kind Speech Days – für ein tolerantes, respektvolles und faires Miteinander eintreten

Im Rahmen des Projektes wurden Kind Speech Days durchgeführt, Aktionstage, an denen die teilnehmenden Partnerschulen innovative Kommunikationskampagnen gegen Hassrede im Netz und für mehr Demokratie, Frieden, Respekt und Toleranz umgesetzt haben. „Hier konnten die Schüler*innen selbst entscheiden, mit welchem Medium und zu welchem Thema im Kontext des Mottos „Kind Speech“ sie sich auseinandersetzen wollten. Entstanden sind sehr tolle und kreative Projekte, zum Beispiel ein Rapsong zu Hass im Netz, Theaterstücke und Tanzinszenierungen, T-Shirts und Buttons mit positiven Sprüchen wie „Du bist schön“ oder „Du bist genug“, Schulfeste, Social-Media-Beiträge und vieles mehr. Die Lehrkräfte der innovativsten Projekte konnten eine Reise in eine europäische Stadt gewinnen, um dort an einer internationalen Veranstaltung, wie zum Beispiel dem ALL DIGITAL Summit, teilzunehmen, das Projekt bzw. die Kampagne zu präsentieren und so neue Impulse oder Ideen für andere zu geben“, schildert Laura Hänsch.

Mehr Informationen:

  • Bei Stress, Kummer und Sorgen, wie zum Beispiel der Konfrontation mit Hass im Netz, hilft die Nummer gegen Kummer mit ihrem Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche und Erwachsene weiter.
  • Bei Cybermobbing und anderen Online-Herausforderungen können sich Jugendliche an JUUUPORT, eine bundesweite Online-Beratungsplattform, bei der junge Menschen Gleichaltrige beraten, wenden.
  • Bei jugendschutz.net und HateAid kann Hass im Netz gemeldet werden.
  • Tipps für den Umgang und das Erkennen von Verschwörungserzählungen gibt auch das Toolkit aus dem europäischen Projekt „Anti-Rumour“.