• Interview

Smart City, digitales Arbeiten und Algorithmen: Spielerisch die Welt der KI erkunden und kritisch hinterfragen

Ein gläsener Kopf, in dem eine smarte Stadt zu sehen ist.

Eine Stadt, in der eine Künstliche Intelligenz (KI) weite Teil des öffentlichen Lebens steuert und Angestellte einer Fabrik für die KI arbeiten. In diesem Szenario befinden sich Spielende des Augmented Reality Spiels „Canvas City“, welches sich vorrangig an junge Menschen im Alter zwischen 13 und 21 Jahren richtet. Über das Spiel und die Relevanz Künstlicher Intelligenz in unserer Gesellschaft sprachen wir mit Robert Behrendt, der als Medienbildner und freiberuflicher Referent beim Verein mediale pfade tätig ist.

Warum es wichtig ist, sich mit Künstlicher Intelligenz zu befassen

Ob intelligente Heizungssteuerungen zu Hause, personalisierte Empfehlungen für Musik und Videos oder Wettervorhersagen: KI steckt mittlerweile in vielen Anwendungen, die wir zu Hause, in der Arbeit und in unserer Freizeit selbstverständlich nutzen und erleichtert uns unseren Alltag. Zugleich ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass KI-basierte Systeme und Anwendungen auf der Grundlage von Daten funktionieren, die gespeichert, verarbeitet und analysiert werden. Nutzen wir also zum Beispiel einen Smart Speaker zu Hause, sollte uns klar sein, dass persönliche Daten von Unternehmen und Anbietenden von KI-Anwendungen erhoben und weiterverarbeitet werden. Große Tech-Unternehmen, die KI-Anwendungen nutzen oder auf den Markt bringen, verwenden die gesammelten Daten überwiegend für kommerzielle Zwecke. Wie wollen wir also damit umgehen, dass privatwirtschaftliche Unternehmen ein enorm durch Daten generiertes Wissen über einzelne Personen und über gesellschaftliche Zusammenhänge verfügen?

Genau hier sieht Robert Behrendt die gesellschaftliche Relevanz und die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Diskurses: „Es ist unsere Aufgabe – vor allem aus politischer Bildungsperspektive – dazu anzuregen, in eine kritisch-reflektierte Auseinandersetzung mit dem Einfluss von Algorithmen in unserem alltäglichen Leben zu gehen, zu fragen, wie ein selbstbestimmtes Leben in unserer Gesellschaft mit KI aussieht und wie groß die Macht einzelner Unternehmen sein kann und darf.“ Zudem geht es darum, zu reflektieren, wie das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine definiert wird. Dafür ist es zunächst notwendig, sich zu vergegenwärtigen, was unter KI verstanden wird. „Hier ist es aus meiner Sicht wichtig klarzustellen und aufzuklären, dass wir es mit Maschinen zu tun haben, die menschliche Intelligenz nachahmen, weil sie mit genügend Daten gefüttert wurden und daraus Muster und Zusammenhänge ableiten sowie Entscheidungen berechnen. Das ist der entscheidende Unterschied zum Menschen: Im Gegensatz zu Maschinen suchen wir gute Gründe, um eine Entscheidung zu treffen, berechnen aber keine Wahrscheinlichkeiten. Deutlich wird dies am Beispiel von ChatGPT, der in jüngster Zeit für viel Aufsehen sorgte. Wir haben es hier mit einem Chatbot zu tun, der berechnet, welches Wort als nächstes wahrscheinlich ist. Der fühlt aber nicht, denkt nicht und kann sich auch nicht selbst ausschalten. Maßgeblich geht es also darum, dass Thema KI in seiner Bedeutung für die Gesellschaft und neben anderen gesellschaftlichen Debatten wie beispielsweise zu Klimawandel oder sozialer Ungleichheit einzuordnen.“

KI spielerisch erleb- und erfahrbar machen

Im mobilen, Augmented Reality (Englisch = erweiterte Realität) basierten Multiplayerspiel „Canvas City“, welches vom Spielprinzip anderen Augmented Reality Spielen, wie beispielsweise Pokékom Go, ähnelt, begeben sich die Spielenden in die Rolle von Arbeiter:innen einer Fabrik. Die Fabrik ist in der Stadt Canvas City angesiedelt und wird von der KI namens Cortex verwaltet. Aufgabe der Spielenden, die in Teams mit- und gegeneinander spielen, ist es nun, Datenquellen ausfindig zu machen und mit dem Netz zu verbinden, um Canvas City weiter zu optimieren. Auf der Suche nach weiteren Datenquellen begegnen die Arbeiter:innen weiteren KI-Charakteren, die ihnen helfen, sich den Datenraum anzueignen. Die Arbeiter:innen beginnen selbstbestimmt und kooperativ zusammenzuarbeiten, um sich aus den Zwängen ihrer Arbeit zu befreien. Doch Cortex kommt ihnen auf die Schliche und ist von der Selbständigkeit der Arbeiter:innen nicht begeistert. Nun ist es Aufgabe der Spielenden zu entscheiden, wie ihr Leben in Canvas City aussehen soll.

Alle Spielenden erhalten zu Beginn des Spiels ein Tablet, welche mit Augmented Reality (AR) ausgestattet sind. Dabei wird das, was die Spielenden durch die Live-Kamera des Tablets sehen um virtuelle Elemente wie computergenerierte und animierte Bilder ergänzt. „Unsere Intention mit dem Spiel war es, durch die Einbindung von AR ein doch eher komplexes und abstraktes Thema wie Künstliche Intelligenz vor allem für junge Menschen greif- und erfahrbar zu machen. Zudem möchten wir mit dem Spiel eine kreative und spielerische Möglichkeit des Austausches schaffen, sich grundsätzlich mit Digitalisierung, digitalen Technologien und damit einhergehenden Veränderungen auseinanderzusetzen“, schildert Robert Behrendt. Wer bestimmt über den Einsatz von Technologien? Wie verändern automatisierte Entscheidungen das Zusammenleben in unserer Gesellschaft? Wie können wir digitale Technologien einsetzen und gleichzeitig selbstbestimmt arbeiten? „All dies sind Fragen, zu denen wir im Spiel, welches wir in Workshop in Schulen und außerschulischen Einrichtungen anbieten, anregen möchten. Das Spiel ist also eine Art Türöffner, um sich über das Erleben und Erfahren im Spiel kritisch mit KI und damit verbundenen Themen wie Smart City, Algorithmen und digitalisiertem Arbeiten zu beschäftigen.“

Meine Daten, mein Eigentum?

Eine stetige Rückmeldung der Teilnehmenden des Spiels ist das Unbehagen gegenüber der Erfassung persönlicher Daten. „Was im Spiel deutlich wird ist, dass es sehr viel mehr Möglichkeiten gibt, Daten zu erfassen und zu verarbeiten als beispielsweise nur über das eigene Smartphone. In einer smarten Stadt wie Canvas City ist es zum Beispiel auch möglich via Kamera und Sensoren Daten zu erfassen und zu verarbeiten, ohne dass Menschen darauf Zugriff haben. Grundsätzlich stellt sich für mich beim Thema Datenerfassung daher die Frage, welche Rolle persönliche Daten spielen und ob es nicht auch Möglichkeiten gibt, andere, nicht-persönliche Daten zu verwenden, um Technologien zu nutzen“, betont Robert Behrendt.

Was pädagogische Fachkräfte tun können

Das Einlassen auf unbekannte Technologien sieht Robert Behrendt als wichtige Voraussetzung an, damit pädagogische Fachkräfte Kinder und Jugendliche unterstützen können, sich kritisch und reflektiert mit dem Thema KI auseinandersetzen zu können. „Ich möchte ausdrücklich dazu ermutigen, neugierig zu sein und Anwendungen beziehungsweise Plattformen auch einfach mal selbst auszuprobieren, um zu verstehen, wie dort Prozesse ablaufen. Und auch, um zu verstehen, worin der Reiz besteht, insbesondere für junge Menschen, bestimmte Plattformen zu nutzen.“ Zusätzlich ist es ratsam als pädagogische Fachkraft Weiterbildungsangebote zu nutzen, um technische Entwicklungen besser verstehen und in ihrer medienpädagogischen Praxis aufgreifen zu können.

Mehr Informationen:

  • Was Algorithmen sind und welche Herausforderungen dabei entstehen, erläutert der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebene zweiteilige Wegweiser „Digitale Debatten“.
  • Welche Digital- und Medienkompetenzen brauchen wir angesichts des digitalen Wandels in unserer Gesellschaft für ein selbstbestimmtes Leben? Dieser Frage geht das Projekt „Digitales Deutschland“ vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis nach.
  • Wie mit ChatGPT im schulischen Kontext umgegangen werden kann, erläutert die europäische Initiative klicksafe im Unterrichtsmaterial „Wie verlässlich ist ChatGPT?“