• Interview

„Goodbye Hate Speech“: Junge Menschen als Botschafter*innen für Demokratie im Netz

Eine sitzende Person, dauf dessen Schoß ein Heft mit dem Titel "Mein Peer-Workshop" liegt.

Ob in der Arbeit, in der Schule oder im Internet: Hass kann uns überall begegnen und sich sehr direkt, aber auch subtil zeigen. Zum Beispiel durch extreme Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen, Verunglimpfungen und Gewalt- bis hin zu Morddrohungen. Hassrede –im Englischen Hate Speech – bezeichnet menschenverachtende Aussagen, die Einzelne oder Gruppen abwertet und ausgrenzt. Werden Personengruppen aufgrund bestimmter Merkmale und damit verbundenen stereotypen Vorstellungen und Vorurteilen abgewertet, lässt sich von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sprechen.

Was man gegen Hass im Netz tun kann

Eine Strategie, Hass im Netz entgegenzutreten, ist die sogenannte Gegenrede, auch Counterspeech genannt. Dabei geht es darum, nachzufragen, sachlich mit faktenbasierten Argumenten aufzuklären und Falschnachrichten offenzulegen, sowie zu entkräften und problematische Aussagen zu thematisieren. Tipps und Tricks Hassbotschaften zu entgegnen, bieten einige Projekte und Initiativen: Darunter die vom Europarat initiierte Kampagne „No Hate Speech Movement“ und die Organisation „HateAid“. Zudem kann Gegenrede mithilfe von Memes - Bilder mit kommentiertem Text - erfolgen, um mit Humor als Mittel auf Hassbotschaften zu reagieren. Darüber hinaus können Hassbeiträge bei den Plattformen selbst und bei Anlaufstellen wie zum Beispiel jugendschutz.net gemeldet werden. „Für von Hass im Netz betroffene Menschen ist es außerdem sehr wichtig, die Möglichkeit zu haben, sich an Vertrauenspersonen wie Freund*innen, Eltern und Erziehende zu wenden und zu wissen, dass sie nicht alleine sind. Sich solidarisch mit Betroffenen zeigen, zum Beispiel über eine persönliche Nachricht oder in einem Kommentar, kann vielen schon helfen, um zu zeigen, dass ich an ihrer Seite stehe“, sagt Franz Werner, der das Projekt „Goodbye Hate Speech“ des Vereins Aktion Zivilcourage e. V. leitet, welches seit 2020 existiert.

Peer-Education: Junge Menschen lernen von jungen Menschen

Kernelement des Projektes Goodbye Hate Speech ist der Ansatz der Peer-Education, der die selbstbestimmte Teilhabe junger Menschen fördert und ermöglicht, dass sie sich aktiv zivilgesellschaftlich einbringen und mitbestimmen können. „In unserem Peer-Programm bilden wir Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 20 Jahren, insbesondere im ländlichen Raum in Sachsen, zu Multiplikator*innen zu den Themen Hate Speech und Online-Extremismus aus. Die Idee dahinter ist, dass die ausgebildeten jungen Menschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen dann durch Workshops in die eigene Peergroup (Englisch = Gruppe von Gleichaltrigen) bringen. Das kann zum Beispiel in der Schule, aber auch im außerschulischen Bereich wie in einer Jugendfreizeiteinrichtung sein“, schildert Franz Werner. Durch den Peer-Ansatz können sich junge Menschen einerseits vertieft mit inhaltlichen Themen auseinandersetzen und andererseits reflektieren sie auch ihre eigene Haltung. „Vor allem - und das ist ein ganz wichtiger Faktor im Hinblick auf demokratische Einstellungen - werden die Teilnehmenden unseres Peer-Programms durch den Ansatz in ihrer Selbstwirksamkeit gestärkt. Ziel des Projektes ist es, aufzuzeigen, dass es sich lohnt, digitale Zivilcourage zu zeigen und sich für ein demokratisches Miteinander einzusetzen.“

In der dreitägigen Peer-Ausbildung, die an unterschiedlichen Standorten in Sachsen stattfindet, werden Hintergrundwissen zu Hate Speech und Extremismus im Netz sowie Methoden und Handlungsstrategien vermittelt. Zudem ist eine sogenannte Workshop-Werkstatt Teil des Projektes. „Uns kommt es dabei vor allem darauf an, dass wir im Rahmen des außerschulischen Kontextes auch eine Art Schutzraum für die Teilnehmenden anbieten, in dem sie ihre eigenen Erfahrungen mit Hass im Netz und anderen Themen digitaler Gewalt, wie unter anderem Belästigung und Diskriminierung im Internet oder mittels elektronischer Hilfsmittel, einbringen können und sich offen austauschen können“, sagt Franz Werner.

Im inhaltlichen Teil der Ausbildung geht es unter anderem darum zu klären, was Hassrede und Extremismus sind, wie sie im Netz verbreitet werden, wer davon besonders betroffen ist und was man dagegen tun kann. Darüber hinaus werden den Teilnehmenden verschiedene Methoden und Tools, wie zum Beispiel ein selbst erstelltes Erklärvideo über Hassrede und Online-Extremismus, an die Hand gegeben, die sie in ihren eigenen Workshops zur Vermittlung der Themen und zur Moderation nutzen können. „In der Workshop-Werkstatt, die die Ausbildung abrundet, geht es dann darum, dass die Jugendlichen schon mal für ihren eigenen Workshop üben können, indem sie unterschiedliche Methoden ausprobieren.“

Selbstbestimmt als Peer einbringen

Franz Werner stellt immer wieder fest, dass der Ansatz der Peer-Education dazu beiträgt, dass junge Menschen ihre Bildungsinhalte selbst gestalten und mitbestimmen können, sie mit ihren Ideen und Perspektiven ernst genommen werden und sie durch die in der Ausbildung vermittelten Handlungsmöglichkeiten selbstbewusster mit Online-Herausforderungen wie Hass im Netz umgehen können. „Die Erkenntnisse der eigenen Selbstbestimmungserfahrung sowie diejenigen, die sie inhaltlich mitnehmen, können sie dann in ihren Alltag übertragen und selbstbestimmt an ihre eigene Peergroup weitergeben. Eine teilnehmende Person hat uns zum Beispiel rückgemeldet, dass sie durch die Peer-Ausbildung das Selbstvertrauen bekommen hat, Gegenrede zu betreiben, wenn sie Hass im Netz wahrnimmt.“

Was Eltern und pädagogische Fachkräfte tun können

Franz Werner sieht das Interesse von erwachsenen Begleitpersonen an der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen als wesentlich an, um diese darin zu unterstützen, kompetent und reflektiert mit Medien umzugehen. Dazu zählt, junge Menschen mit ihren Bedürfnissen, Perspektiven und Anliegen ernst zu nehmen und ihnen den Raum für eine selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen. „Das fängt als Eltern und pädagogische Fachkraft damit an, sich mit dem Medienhandeln der Kinder auseinanderzusetzen, zu fragen und zu schauen, was Heranwachsende interessiert und warum sie bestimmte Apps und Plattformen nutzen wollen. Im nächsten Schritt ist es dann wichtig, gemeinsam über mögliche Online-Herausforderungen, also beispielsweise auch über Hate Speech, zu sprechen und zu signalisieren für das Kind als Ansprechpartner*in da zu sein. Voraussetzung dafür ist natürlich, sich selbst vorher zu Hass im Netz zu informieren und sich mit Online-Risiken auseinanderzusetzen. Für Lehrkräfte und außerschulische pädagogische Fachkräfte gibt es zudem viele gute medienpädagogische Weiterbildungs- und Fortbildungsangebote, die das eigene Wissen erweitern können.“

Mehr Informationen:

  • Die Amadeu Antonio Stiftung bietet Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte rund um Online-Herausforderungen an, insbesondere zu Hass und Diskriminierung im Netz.
  • Informationen zu Extremismus, vor allem zur rechtsextremen und islamistischen Szene, finden pädagogische Fachkräfte auf der Seite „Hass im Netz“, einem Angebot von jugendschutz.net. Auf der Seite kann Hass auch gemeldet werden.
  • Beratung und Informationen erhalten Jugendliche auch auf JUUUPORT, der bundesweiten Online-Plattform, auf der junge Menschen Gleichaltrige beraten.