• Hintergrund

TikToks Schattenseiten

Eine Person, die ein Smartphone in den Händne hält, auf dem "TikTok" steht.

Mit rund einer Milliarde monatlich aktiven Nutzer*innen (Stand Januar 2023) ist TikTok eine der meistgenutzten Apps weltweit. Es ist also kein Wunder, dass mit der zunehmenden Aufmerksamkeit, die die App bekommt, auch eine Menge negatives sichtbar wird. Der Reiz der App besteht vor allem an den kurzen Videos, die es zu vielfältigen Themen gibt, die sowohl unterhalten, als auch, inspirieren können, zum Beispiel Rezeptideen zum Kochen. Ich möchte mich hier insbesondere mit dem Thema „gefährlicher TikTok Content (Inhalt)“ beschäftigen, weil TikTok meiner Meinung nach noch stärker handeln muss gegen diese Arten von Content, welcher zur Gefahr für TikTok Nutzer*innen werden kann. Außerdem wünsche ich mir, dass Kinder, Eltern und Erzieher*innen über die Gefahrenseiten Bescheid wissen, damit besonders Letztere den jüngeren Nutzenden Unterstützung und ein offenes Ohr anbieten. Alle Involvierten, inklusive Kinder, sollten sensibel mit dem Thema „Gefahren auf TikTok“ umgehen können. Zu den Gefahren zähle ich hier sowohl physisch als auch psychische Risiken für die Nutzer*innen. Teil dieses Contents sind gefährliche Challenges (Herausforderungen wie Mutproben), pro-Anorexie Videos und eine Vermischung von beiden, die in Form von sogenannten „Body Challenges“ eine unglaubliche Reichweite haben.

Ein Beispiel einer gefährlichen Challenge ist die „Blackout Challenge“, bei welcher es darum geht, sich selbst so lange zu würgen, bis man in Ohnmacht fällt, sich gleichzeitig dabei filmt und das dann auf TikTok postet. Hierbei gab es schon einige Todesfälle. Oder die „Hot Water Challenge“, bei der eine Person plötzlich mit kochend heißem Wasser übergossen wird oder heißes Wasser durch einen Strohhalm trinkt, was nicht selten zu Verbrennungen und einem Krankenhausaufenthalt geführt hat. Eine ebenso riskante Challenge ist zudem die „Penny Challenge“, bei der ein Ladekabel ein wenig aus der Steckdose gezogen wird, um dann mit einer Münze die freiliegenden Kontakte zu berühren. Dadurch kann es zu einem Kurzschluss und mitunter auch zu einem Stromschlag oder Brand kommen.

Diese Beispiele um aufzuzeigen was für Challenges abseits der vergleichsweise harmlosen Mutproben, wie Tanzchallenges, auf TikTok existieren. Geht eine gefährliche Challenge erst mal viral, landet sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einer Menge „for you pages“ (Die Seite, auf welcher speziell zum Nutzenden passende Videos durch einen Algorithmus vorgeschlagen werden), was die Reichweite eines Kanals/Accounts stark erhöhen kann. Im Allgemeinen gilt nämlich für Personen auf TikTok mit wenig Reichweite: Nehmen sie an einer wagemutigen Herausforderung teil und geht ihr Video anschließend viral, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Video häufiger auf anderen for you pages vorgeschlagen wird. Der Anreiz, solch ein Video zu produzieren, liegt also unter anderem im Wunsch mehr Reichweite zu bekommen. Jedoch aus meiner Sicht für einen viel zu hohen Preis, da ich die gesundheitlichen Risiken, die entstehen können, für zu hoch halte.

Eine besondere Gefahr stellen riskante Challenges für Kinder und Jugendliche da, weil sie mitunter nicht an mögliche für sie gefährliche Konsequenzen wie schlimme Verletzungen oder gesundheitliche Schäden denken. TikTok selbst ist glücklicherweise dabei, durch Hashtags und Gefahrenhinweise, solche Challenges zu markieren oder sogar zu sperren. Laut TikToks Richtlinien gehören zu gefährlichen Challenges „Mutproben, Spiele, Tricks, die unsachgemäße Verwendung gefährlicher Werkzeuge, der Verzehr gesundheitsschädlicher Substanzen oder ähnliche Aktivitäten, die zu erheblichen körperlichen Schäden führen können“. Trotz dieser Richtlinien konnten viele gefährliche Challenges viral gehen und wurden erst dann gesperrt, als sie schon im Umlauf waren. Was TikTok also nicht macht, ist neu hochgeladene Videos mit solchen Challenges von vorne rein im Hinblick auf Gefahren zu überprüfen und bei Feststellung riskanter und gesundheitsgefährdender Inhalte dann zu sperren. Neue Trends mit möglichen riskanten oder gesundheitsgefährdenden Folgen können also weiterhin jederzeit entstehen. Alles, was TikToknutzer*innen machen können, wenn ihnen ein Video mit gefährlichem Inhalt vorgeschlagen wird, ist dieses direkt bei TikTok oder zum Beispiel bei jugendschutz.net, zu melden.

Neben gefährlichen Challenges gibt es auf TikTok auch noch anderen Content, der jugendgefährdend sein kann, zum Beispiel Videos, in denen Anorexie befürwortet und gefördert wird. Hierbei handelt es sich oft um „Anleitungen“ zum dünn werden und das stolze Präsentieren runtergehungerter Körper. Trotz Versuchen der Plattform TikTok die Videos und Hashtags zu entfernen, die auf solchen Content hinweisen, bilden sich immer wieder neue und verstecktere Hashtags, welche diese „Bubble“ weiterhin am Leben erhalten. Der sogenannte Pro-Ana-Content umfasst Videos in welchem Personen die Krankheit Anorexie verherrlichen und sie darstellen, als wäre sie eine Freundin. Dazu gehören vermeintliche Wellness-Tipps und undeutliche Hashtags, hinter denen sich Videos verstecken, die die Nutzer*innen durch das Weglassen von Essen oder strenge Diättipps dazu motivieren sollen, in sehr kurzer Zeit viel Gewicht zu verlieren. Die Krankheit Anorexie wird von den Personen unbewusst oder auch bewusst in den Videos nicht ernst genommen und die Auswirkungen sogar teilweise stolz präsentiert. Ich denke, dass es problematisch ist, wenn gerade junge Menschen auf solche Videos und Foren stoßen und sich davon so beeinflussen lassen, dass sie selbst anfangen diesem vermeintlichen Lifestyle nachzueifern. Meist sind es leider die Personen, die sich sowieso schon viel mit den Themen Schönheitsidealen und eigenes Körperbild beschäftigen, die Pro-Ana-Content vorgeschlagen bekommen, weil einige schon ein paar Suchanfragen in diese Richtung gemacht haben. Das Risiko einer Essstörung kann somit gesteigert werden. Auch für Personen, die wegen Anorexie schon in Behandlung sind, können solche Inhalte triggern. Grundsätzlich empfehlt es sich, ins Gespräch mit Vertrauenspersonen über seine Sorgen zu gehen und, wenn möglich, die „dislike function“ oder die „interessiert mich nicht“ Funktion zu nutzen, um Pro-Ana-Content von der for you page zu verbannen.

Neben diesen zwei Schattenseiten von TikTok gibt es auch die sogenannten „Body Challenges“, welche ebenfalls negative Auswirkungen auf das Körperbild haben können und hauptsächlich auf dem chinesischen TikTok vertreten sind. In Deutschland sind sie nicht in solch einer extremen Ausführung zu finden. Wie der Name schon sagt, geht es hier um Challenges, die sich auf den Körper beziehen. Sie beziehen sich insofern auf den Körper, als dass das Schönheitsideal eines sehr dünnen Körpers verbreitet wird. Im Kern geht es darum, sich selbst und anderen zu beweisen, wie dünn der eigene Körper ist. Bekannt ist zum Beispiel die „A4-Waist-Challenge“, bei der die Taille hinter ein A4 Blatt in Hochkanntformat passen muss. Dass solche Challenges sehr ungesund sind, sollte durch das eben angeführte Beispiel klarwerden. Es werden extrem dünne und heruntergehungerte Körper als Ideal dargestellt. Dabei wird komplett außeracht gelassen, dass es eine Vielfalt an Körperbildern gibt und nicht nur ein Ideal. Dieses Schönheitsideal ist in solch einer extremen Art und Weise insbesondere in China weit verbreitet und setzt viele Menschen unter enormen Druck. Dieser Druck ist auch so schon durch Bilder in sozialen Medien verbreitet, hat aber mit Body Challenges die nächste Stufe erreicht. Denn zum Selbstvergleich auf Social Media kommt dadurch auch noch der Challengeaspekt dazu, was den Drang zu einer Gruppe dazuzugehören, meistens dem eigenen Freund*innenkreis, nochmals steigert. So können diese Challenges zu essgestörtem Verhalten beitragen oder dazu führen, sich ungesund zu ernähren. Erkennen lässt sich das auch durch die Kommentare unter den Videos zu solchen Challenges. Diese enthalten nämlich hauptsächlich Lob, Selbstvergleiche und Diättipps. Eine Studie lässt zudem vermuten, dass Personen, die sich diese Art von Challenges oft angucken, eine höhere Körperunzufriedenheit haben, als Personen, die sich solchen Content nicht ansehen.

Was können Eltern oder Erziehende jetzt genau unternehmen, um Kinder vor den Gefahren auf TikTok zu schützen? Es hilft Kindern sehr, wenn sie spüren, dass ein Interesse von Seiten der Erwachsenen besteht. Dann fällt es ihnen leichter mit Fragen oder Mitteilungsbedürfnis auf Erwachsene zuzugehen. Den Kindern beizubringen, dass sie auch alles hinterfragen können, was ihnen in sozialen Medien vorgeschlagen wird, ist meines Erachtens auch sehr wichtig, weil nicht alles stimmt oder gesund ist, was dort zu finden ist. Eltern oder Kinder können sich dazu auch noch weiter auf JUUUPORT, SCHAU HIN! Was dein Kind mit Medien macht und jugendschutz.net informieren, oder sich bei kritischen Fällen bei der Nummer gegen Kummer melden. Und als Abschlusswort: Es sind nicht alle Challenges auf TikTok sofort gefährlich. Es gibt genügend ungefährliche und kreative Challenges, welche die größere Menge ausmachen. Es sollte also auch mit dem Kind besprochen werden, welche Arten von Challenges okay sind, um sie auszuprobieren und welche nicht.


Laeticia Genz, Bundesfreiwillige Stiftung Digitale Chancen
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