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YouTuber*innen - die Popstars von heute als Vorbilder für viele Kinder und Jugendliche

Ein Mädchen wird von einem anderen Mädchen mit dem Smartphone aufgenommen.

Kinder und Jugendliche eifern schon immer Idolen nach, an denen sie sich orientieren können. Damals war es der Popstar, der auf einem Poster im Zimmer an der Wand hing. Heute sind es auch die Stars in sozialen Netzwerken wie YouTube, Instagram oder TikTok, die Vorbilder für viele Kinder und Jugendliche sind. Der entscheidende Unterschied: Der Star damals war kaum greifbar und setzte sich bewusst von der Masse ab. Internetidole hingegen geben sich wie gute Freunde, indem sie über die Themen sprechen, die ihre Fans beschäftigen, direkt mit ihnen kommunizieren oder Fantreffen veranstalten. So vermitteln sie ihren Fans das Gefühl „eine*r von ihnen“ zu sein. Doch welchen Stellenwert nehmen YouTube-Stars im Leben von Kindern und Jugendlichen ein? Was fasziniert junge Heranwachsende an ihren Idolen auf YouTube? Und wie können Eltern und pädagogische Fachkräfte Kinder und Jugendliche bei einem reflektierten Umgang mit sozialen Medien begleiten?

 

Der Reiz der Influencer auf Kinder und Jugendliche

Bei der Entwicklung des eigenen Ichs orientieren sich junge Heranwachsende auch an YouTube-Stars, sogenannten Influencer*innen (engl. influence = Einfluss). Diese haben viele Follower*innen, die gespannt ihrem alltäglichen oder glamourösen Leben folgen. „Influencer*innen haben für Kinder und Jugendliche eine Orientierungsfunktion, das bedeutet, dass sie durch äußerliche Attraktivität, Leistungsvermögen, Motivation, gute Laune und Selbstbewusstsein einen sehr großen Reiz auf junge Heranwachsende ausüben“, erläutert Andreas Oberlinner vom JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. „Auch, dass sie den Anschein erwecken, dass sie ihre Gefühle regulieren können, beeindruckt Kinder und Jugendliche in der Pubertät. So entsteht eine Faszination für die YouTube-Stars, die für viele zum Vorbild werden und mit denen sie sich identifizieren können.“

YouTube-Stars sprechen über Themen aus ihrem Alltag, geben zum Beispiel Beziehungstipps, zeigen, wie sie wohnen, verraten persönliche Vorlieben und liefern sich lustige Mutproben mit Freunden und Familie. Fans haben die Möglichkeit direkt mit ihnen zu kommunizieren, indem sie die Videos kommentieren und liken. Viele Kinder und Jugendliche bewundern ihre YouTube-Stars für ihre Persönlichkeit und ihren Erfolg. Die Bewunderung für den Star im Netz führt auch dazu, dass beworbene und empfohlene Produkte des Vorbilds, wie zum Beispiel Make-up, Schmuck oder Onlinespiele, gekauft werden. Andreas Oberlinner schätzt diese Empfehlungen als „zweifelhafte Orientierungsangebote für Kinder und Jugendliche“ ein, „weil das oft kommerzielle Werbebotschaften sind. Wenn Jugendliche ein Faible für einen bestimmten YouTube-Star haben, wird oft alles, was diese*r macht, sehr gut bewertet. Wird zum Beispiel ein Produkt beworben, indem ein Gewinnspiel veranstaltet wird, finden Jugendliche dies häufig gut, da sie annehmen, etwas gewinnen zu können.“ Kommerzialisierung hinterfragen Kinder und Jugendliche allerdings dann kritischer, wenn sie eine*n Influencer*in nicht mögen. Dann ist das Bewusstsein geschärfter im Hinblick auf Produktwerbung, mit der Gewinne erzielt werden sollen.

Unrealistische Erwartungen können bei Kindern und Jugendlichen auch geweckt werden, wenn Vorbilder im Netz einen luxuriösen Lebensstil vorleben: Sie fahren teure Autos, machen in Luxushäusern Urlaub oder tragen Klamotten von Luxusmarken.

Wie nehmen Kinder und Jugendliche YouTube-Stars wahr?

Ähnlich sieht es aus, wenn Kinder und Jugendliche über Glaubwürdigkeit von Stars im Netz sprechen. Influencer*innen, die als sympathisch befunden werden, gelten auch als authentisch. „Selbstdarstellungen von YouTube-Stars, die motiviert für ihr Publikum alles geben, werden akzeptiert, wenn sie sich professionell darstellen und interessante Videos machen“, verdeutlicht Andreas Oberlinner. „Dann wird den Stars abgenommen, dass sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben. Lässt die Kreativität in Videos allerdings nach, nimmt auch die Glaubwürdigkeit des Stars ab.“

In ihren Videos geben einige YouTube-Stars zum Teil auch bedenkliche Ratschläge, gerade wenn es um das Thema Schönheit und Lifestyle geht. Oft werden dann bestimmte Schönheitsideale und geschlechtsstereotype Verhaltensweisen dargestellt. Als „typisch männlich“ gelten Jungs, die sich stark und muskulös in Szene setzen, als „typisch weiblich“ gelten Mädchen, die sich schlank und makellos präsentieren. Auch die Inhalte, über die YouTube-Stars sprechen, sind zum Teil geschlechtsstereotyp aufbereitet: YouTuberinnen sprechen eher über Beautyprodukte oder geben Schmink- und Beziehungstipps. Männliche YouTuber sprechen eher über Themen aus den Bereichen Unterhaltung, Games und Politik. Andreas Oberlinner gibt zu bedenken, dass die von den Vorbildern vermittelten Stereotype von den Kindern und Jugendlichen oft nicht kritisch hinterfragt, sondern einfach so akzeptiert werden. Vielen Kindern und Jugendliche dienen die ihnen vermittelten Bilder und Vorstellungen als Orientierung, um zu wissen, wie sie sich zum Beispiel als Frau oder Mann zu verhalten haben.

Die Rolle von Eltern und pädagogischen Fachkräften

Da Kinder und Jugendliche sich sehr stark an Influencer*innen orientieren, ist es wichtig, dass sie die verbreiteten Darstellungen ihrer Vorbilder einordnen und bewerten können. Dazu gehört es, eine kritische und reflektierte Denkweise zu entwickeln und nicht einfach Verhaltensweisen zu übernehmen, ohne diese zu hinterfragen oder Produkte sofort zu kaufen, weil das Vorbild im Netz diese bewirbt. Eltern und Pädagog*innen müssen junge Heranwachsende dabei unterstützen und begleiten. Oberlinner erkennt eine der Herausforderungen darin, einen Überblick über die zahlreichen Angebote auf YouTube zu behalten. „Umso wichtiger ist es daher, dass Eltern und Begleitpersonen mit Kindern und Jugendlichen ins Gespräch kommen und gemeinsam offen über Themen wie Selbstbewusstsein und Attraktivität und das eigene Selbst- und Werteverständnis zu sprechen“, ergänzt er. Voraussetzung dafür ist, dass Eltern und pädagogische Fachkräfte erkennen und verstehen, dass YouTube-Stars eine feste Größe in der Alltagswelt von Heranwachsenden einnehmen.

Weitere Informationen:

 

  • Das Projekt Act On! vom JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis ist ein medienpädagogisches Forschungs- und Praxisprojekt und untersucht das Online-Handeln von Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 14 Jahren. Im Fokus des aktuell veröffentlichten Reports steht das Thema YouTube-Nutzung.
  • Auf klicksafe finden sich weitere Informationen zum Thema YouTube und YouTube-Stars.
  • Was tun, wenn das Kind YouTuber werden möchte? Tipps gibt es auf der Seites des Internetguides für Eltern finden sich weitere Informationen zum Thema YouTube und YouTube-Stars.

Bettina Goerdeler

Quelle: Andreas Oberlinner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis